Kasse darf Impfstoffvertrag nicht einfach kündigen dpa/APOTHEKE ADHOC, 21.08.2017 11:46 Uhr
Trotz einer Gesetzesänderung können Krankenkassen bestehende Exklusivverträge mit Pharmaherstellern über die Lieferung von Grippeimpfstoffen nicht einfach kündigen. Neues Recht greife nicht in alte Verträge ein, begründete das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen (LSG) die Eilentscheidung.
Geklagt hatte der Hersteller Mylan, der mit elf Krankenkassen Rabattverträge über Grippeimpfstoffe für den nächsten und übernächsten Winter geschlossen hatte. Der Konzern bezifferte seinen drohenden Schaden auf 1,8 Millionen Euro.
Die Möglichkeit von Rabattverträgen war erst 2015 durch eine Gesetzesänderung ermöglicht worden. Als Gegenleistung für den Rabatt verpflichteten sich die Kassen zur ausschließlichen Versorgung ihrer Versicherten mit den Medikamenten des Herstellers. Nachdem diese Norm jedoch durch den Gesetzgeber 2017 ersatzlos zurückgenommen wurde, kündigten die Kassen die Verträge und schlossen neue Rabattverträge mit Apothekerverbänden. Nach ihrer Ansicht fällt von 2017 die Exklusivität aller Verträge weg.
Mit ihrem Entscheid stellten sich die Celler Richter gegen die Rechtsauffassung des Bundesgesundheitsministeriums (BMG). Dieses hatte in einem Rundschreiben in diesem Jahr exklusive Verträge für hinfällig erklärt. Die vom BMG verbreitete Interpretation sei rechtlich unerheblich, stellte das LSG fest. Bei der Streichung der Rabattmöglichkeit sei lediglich gesagt worden, dass bestehende Verträge nicht verlängert werden können.
Die Richter hatten keinen Zweifel, dass auch der Gesetzgeber die Rückwirkung im Blick hatte. Denn im Arzneimittel-Versorgungsstärkungsgesetz (AM-VSG) heiße es wörtlich: „Mit dem Inkrafttreten der Regelung entfällt die Grundlage für die exklusive Versorgung mit Impfstoffen. Bestehende Rabattverträge können nicht verlängert werden.“ Daraus ergebe sich, dass es keinen Eingriff in bestehende Verträge gebe. Die Entscheidung des LSG ist unanfechtbar.
Der Impfstoffmarkt ist überschaubar geworden: Die Generikahersteller haben sich zurückgezogen, andere Konzerne haben die Produkte der Konkurrenz mit übernommen. Drei Anbieter teilen sich den Markt: Mylan liefert Influvac (mit Kanüle) und Xanaflu (ohne Kanüle). Seqirus, ehemals bioCSL, hat neben Afluria die beiden ehemaligen Hexal-Vakzine Begripal und Fluad im Sortiment. Sanofi ist mit Vaxigrip vertreten. Ratiopharm und Stada hatten sich 2015 beziehungsweise 2016 zurückgezogen.
In Bad Vilbel hieß es zuletzt, derzeit sei keine Aufnahme von Grippeimpfstoffe ins Sortiment geplant. Bei Teva sei diese Frage „Teil strategischer Überlegungen“, weitere Informationen gebe es derzeit nicht, so eine Sprecherin. Auch Hexal wollte sich zu einem möglichen Comeback nicht äußern.