Ex-Minister Bahr muss nicht aussagen Alexander Müller, 26.09.2018 13:45 Uhr
Ex-Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) muss in der Datenaffäre des Bundesgesundheitsministeriums (BMG) nicht als Zeuge vor Gericht erscheinen. Das Landgericht Berlin sieht die Einschätzung des heutigen Allianz-Vorstands nicht als notwendig an. Es geht um die Frage, ob Mitarbeiter des Ministeriums im Jahr 2012 private E-Mails über ihren dienstlichen Account verschickt haben.
Einem ehemaligen IT-Mitarbeiter des BMG wird vorgeworfen, E-Mails aus dem Ministerium gestohlen und an den früheren ABDA-Sprecher Thomas Bellartz verkauft zu haben. Dessen Anwalt Professor Dr. Carsten Wegner hatte am vorherigen Verhandlungstag beantragt, Bahr als Zeugen zu laden. Der Ex-Minister möge bestätigen, dass es Mitarbeitern des BMG auch seinerzeit nicht gestattet war, private und behördliche Korrespondenz zu vermischen und dass auch in den von den Ermittlern gesicherten E-Mails keine privaten oder persönlichen Dinge enthalten waren, die unter das Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) fallen.
Das Gericht hatte diesbezüglich in der heutigen Sitzung ein Verständnisproblem: „Wir können uns doch selbst davon ein Bild machen, ob das persönlich ist oder nicht. Da bräuchten wir eigentlich keinen Ex-Minister, um das zu berichten.“ Doch Wegner hielt auch heute daran fest. Die Staatsanwaltschaft habe selbst beantragt, 38 von 40 angeklagten Fällen nach § 154 Strafprozessordnung (StPO) einzustellen, da nichts vorliege, mit dem man sich befassen könne. Und die in den verbliebenen beiden Fällen zitierten E-Mails seien allesamt nicht bei Bellartz gefunden. Die Staatsanwaltschaft habe auf diesen Sachstand jedoch nie Bezug genommen. Daher liege der Schluss nahe, dass ein BDSG-Verstoß niemals geprüft worden sei, so Wegner.
Das Gericht lehnte den Antrag ab. Es obliege der Beurteilung der Kammer, welche Schlussfolgerungen aus den Ermittlungsergebnissen zu ziehen seien. Dies betreffe auch die Frage, ob bestimmte Nachrichten personenbezogenen Inhalt im Sinne des BDSG seien.
Wegner hatte in seinem Eingangsstatement verschiedene Beschlüsse des Gerichts beanstandet. Dass die Richter etwa dem „Parkbank-Vorfall“ nicht weiter nachgehen wollen, bedeutet für Wegner „einen Freifahrtschein für polizeiliche Durchstechereien“. Der leitende Ermittler hat bei seiner Vernehmung von einem Telefonat mit einer Journalistin berichtet. Die Inhalte dieses Gesprächs wurden aber nicht weiter aufgeklärt und das Gericht hat die von der Verteidigung beantragte Ladung der Ermittler als Zeugen abgelehnt.
Ebenso unzufrieden ist Wegner damit, dass die unvollständige Aktenführung bei der Polizei nicht weiter behandelt werden soll. Dabei hätten die Ermittler – teilweise sogar in Abstimmung mit der Staatsanwalt – der Verteidigung Informationen vorenthalten, etwa zum parallel laufenden Ermittlungen gegen die ABDA. Der gerichtliche Beschluss sei damit ein „Freifahrtschein für polizeiliche Manipulationen“.
Wegner versteht auch nicht, warum die Staatsanwaltschaft aus Sicht des Gerichts keine Aktenvollständigkeitserklärung abgeben muss. Die Verteidigung hätte den Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft gerne als Zeugen gehört, das Gericht hat dies allerdings heute erneut abgelehnt. Der Staatsanwalt sah in seiner heute abgegebenen Stellungnahme ebenfalls keine Relevanz für die Schuldfrage. Die von der Verteidigung geforderten Erklärungen seitens des Gerichts oder der Staatsanwaltschaft sehe die Strafprozessordnung nicht vor.
Als Erfolg verbucht die Verteidigung andere Entscheidungen des Gerichts für sich. Mit Beschluss vom 17. September hatte das Gericht mehrere Anträge Wegners zwar abgelehnt. In der Begründung wurde aber gleichwohl anerkannt, dass bestimmte Daten oder Dokumente, die Gegenstand des Verfahrens sind, nicht bei Bellartz gefunden wurden. Dieses „Beweisziel“ habe die Verteidigung nunmehr erreicht, so Wegner. Wie das Gericht die Ermittlungsergebnisse wertet, wird allerdings erst nach der Schlussberatung feststehen.