Apothekensterben

Ex-Klinikapotheker: So werden Apotheken gerettet

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Berlin -

Viele Apotheken vor allem auf dem Land kämpfen um ihre Existenz. Aber es gibt Lösungsansätze zur Rettung der Standorte in der Fläche. Das meint zumindest Pharmazeut Dr. Joachim Pfeffer. Ihm und seiner Frau Annelore, die bis heute eine Landapotheke führt, reicht es nicht, Missstände aufzuzeigen und darüber zu klagen. Das Paar möchte lösungsorientiert denken.

„Ich vertrete den Standpunkt, dass Änderungen nicht allein der Politik und den Gerichten zu überlassen sind“, betont Pfeffer. „Es ist auch unsere Pflicht als Apotheker, proaktiv Vorschläge zur Verschlankung und zu innovativen Lösungen sowie neuen Dienstleistungen zu unterbreiten. Also agieren statt nur reagieren.“

Pfeffer ist Apotheker für Klinische Pharmazie und führte auch am Anfang seiner Berufslaufbahn sieben Jahre lang eine öffentliche Apotheke. Dann wechselte er in den Klinikbereich. Bis zu seiner Pensionierung vor rund fünf Jahren blieb er dem stationären Sektor treu und arbeitete zuletzt als leitender Apotheker am Krankenhaus in Rendsburg. Der 68-Jährige meint, die nötige Nähe und den nötigen Abstand zu öffentlichen Apotheken zu haben, um die Probleme und Lösungen etwas deutlicher zu sehen. Die Nähe, weil er Apotheker ist und sieben Jahre lang eine Apotheke leitete und weil auch seine Frau bis heute eine Apotheke führt. Den Abstand, weil er eben die meiste Zeit seiner Berufslaufbahn in einer Klinik verbrachte.

Was er sieht, ist die rückläufige Anzahl der Landapotheken nicht nur in seiner Heimatregion Nordfriesland, sondern überall in Deutschland. Viele Apotheken kämpfen um ihre Existenz, leiden unter zunehmendem bürokratischen Aufwand oder es finden sich aus verschiedenen Gründen keine Nachfolger. „Ich sehe aber durchaus gute Chancen für den Erhalt der Vor-Ort-Apotheke, unter anderem durch eine deutliche Reduzierung der Betriebskosten und Flexibilisierung der Branche“, sagt er.

Im ersten Schritt fordert Pfeffer die Einführung eines Sicherstellungszuschlages für Apotheken, der greifen soll, sobald diese im Betriebsergebnis unter einen bestimmten Grenzwert fallen. „Das würde auch das Nachfolgeproblem minimieren“, glaubt er. Seiner Auffassung nach würde auch die Möglichkeit einer gemeinschaftlichen Apothekenführung, wie es bei ärztlichen Gemeinschaftspraxen üblich ist, die Nachfolgersuche erleichtern. „Die Rechtsform der OHG und GbR ist zwar bereits erlaubt, dennoch wird noch viel zu selten davon Gebrauch gemacht“, meint der Klinikapotheker. Vor allem durch die zunehmende Feminisierung des Apothekerberufes würden sie allerdings immer reizvoller.

„Doch nicht nur die weiblichen Kollegen sind häufig vorsichtiger“, so die Beobachtung des Apothekers. Die Bereitschaft, sich selbstständig zu machen, nehme insgesamt ab. Kein Wunder aus der Sicht des Apothekers: „Eine überbordende Bürokratie vergällt die Lust auf Chefsein. Denn selbstständig bedeutet zu oft nur noch selbst und ständig.“ Rechtsformen wie beispielsweise eine OHG würden erlauben, die Verantwortung zu teilen. Doch die Standespolitik habe es bisher versäumt, die Vorzüge dieser Rechtsformen der Basis zu vermitteln, kritisiert Pfeffer. „Die Möglichkeit der Aufgaben- und Gewinnteilung sollte jedoch viel stärker betont werden.“

Ein interessantes Vorbild liefert seiner Auffassung nach die Schweiz: Dort würden Apotheker immer mehr Kompetenzen bei der Patientenversorgung bekommen. „Dazu gehört beispielsweise das Impfen“, berichtet Pfeffer. „Apotheker können sich aber auch zur Behandlung von Problemwunden zertifizieren lassen und somit den Arzt entlasten. So etwas ist in Deutschland derzeit leider noch tabu.“

Hierzulande passiere sogar das Gegenteil: Apotheker würden sogar Kompetenzen aus der Hand geben, wie es beispielsweise beim Medikationsplan oder vor vielen Jahren bei der Anus Praeter-Versorgung geschehen sei. „Damals stellten die Apotheker fest, dass entsprechende Artikel nicht mehr so gut laufen“, erinnert sich Pfeffer. Woran es lag und wie man wieder die Oberhand gewinnen könnte, sei allerdings nicht analysiert worden.

Der Grund sei aber ganz einfach gewesen: Einige Pflegedienste hätten sich auf die Versorgung spezialisiert und ihre Artikel direkt ab Werk bestellt. „Ärzte waren zufrieden, weil ihre Patienten gut versorgt wurden. Pflegedienste haben sich eine Nische erschlossen und Apotheker guckten in die Röhre“, so Pfeffer. Apotheker sollen endlich anfangen, strategisch zu denken. Dazu gehöre auch rechtzeitig zu merken, wenn ein Sortiment wegbreche, und dagegen zu steuern.

Das Gleiche gilt für das in England realisierte „Light“-Modell, bei dem Filialapotheken ihre kosten- und zeitintensiven Labor-Aufgaben an zentrale Schwerpunkt-Apotheken delegieren können (Hub and Spoke). Hierzulande sei das bisher nur bei Zytostatika erlaubt. „Es ist schlicht überflüssig, dass jede Apotheke ein Labor vorhält“, so der Klinikapotheker. Das würde auch Arzneimittelabgabestellen, wie beispielsweise in Italien, ermöglichen. „Für Patienten ist es doch viel komfortabler in eine Bereitschaftsapotheke direkt am Krankenhaus beziehungsweise an der Notarztpraxis zu gehen und keinen zusätzlichen Weg zur Notdienstapotheke zu machen, die zudem immer wechselt“, so Pfeffer. Eine solche Bereitschaftsapotheke würde eben kein Labor vorhalten, sondern ein mit Ärzten abgesprochenes Rx-Sortiment sowie OTC im Bereich der Schnelldreher.

Den Verdrängungswettbewerb, den die Versender durch massives Locken mit Rabatten zusätzlich befördern, empfindet das Apothekerpaar vor allem als unfair, weil diese die Belastungen in der Fläche nicht mittragen müssten, sondern sich die Rosinen herauspicken könnten. Grundsätzlich vertritt der Apotheker die Einstellung, dass die Konkurrenz das Geschäft belebt. Allerdings nur zu gleichen Bedingungen für alle Marktteilnehmer. „Abgesehen davon wird der Arzneimittel-Versandhandel eigentlich gar nicht gebraucht, weil es in der Fläche immer noch genug Apotheker gibt, die den Bedarf schnell und vielfältig decken können“, meint Pfeffer. Noch. Damit es so bleibt, müssten Apotheker noch näher an den Patienten heranrücken.

„Ich weiß, dass ich mit diesen Ideen nicht überall auf Gegenliebe stoße“, sagt der 68-Jährige. Als leitender Krankenhausapotheker habe er seinerzeit in Rendsburg versucht, Satelliten-Apotheken zu etablieren, was allerdings am Widerstand der Kollegen scheiterte. „Im Westküstenklinikum Heide/Brunsbüttel und im Klinikum Itzehoe wurden die Krankenhaus-Apotheken aus Kostengründen geschlossen“ erläutert er. Diese beiden großen Häuser sollten aus der Zentralapotheke in Rendsburg versorgt werden. „Ein Satellit vor Ort wäre vor allem bei der Zytostatikaversorgung und in anderen Spezialrezepturbereichen sinnvoll gewesen“, glaubt er. Die ablehnend Haltung der Kollegen erklärt der Apotheker mit deren Furcht vor weiteren Schließungen, sollte das Modell sich als praktikabel erweisen.

„Ich vermisse an der Standespolitik den Mut, alternative Versorgungskonzepte offensiv zu kommunizieren“, sagt Pfeffer. Vor allem in der Öffentlichkeit, also auch bei den Kunden der Apotheken, komme stattdessen nur an, dass die Apotheker jammern und ihre Pfründe sichern wollen. Würden Apotheker stattdessen mit innovativen Ideen vorangehen, würden sie positiv wahrgenommen und nicht nur als jemand, der ständig über die Konkurrenz klagt.

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