Wer einen bestehenden Standort übernimmt, kauft in der Regel mehr als Warenlager und Einrichtung: Der ideelle Wert ist immer Teil des Kaufpreises. Der Betrieb wird unter neuer Leitung fortgeführt – auch wenn der Datenschutz eine Neuausstellung der Kundenkarten notwendig macht. Bei der Bestwin-Apotheke liegt der Fall gänzlich anders. Die neue Inhaberin und ihr Mann legen sogar besonderen Wert darauf, dass die Apotheke nichts aber auch gar nichts mit der bisherigen zu tun hat – aus gutem Grund.
Die Bestwin-Apotheke im brandenburgischen Bestensee hat am 1. November eröffnet. Der Vorgängerbetrieb an diesem Standort war zu diesem Zeitpunkt seit knapp einem halben Jahr geschlossen. Die ehemalige Stammkundschaft der Apotheke hat sich sowieso längst auf andere Standorte verteilt, für die Bestwin-Apotheke steht ein Neustart auf dem Programm. Und das ist der neuen Inhaberin Sandra Heyer auch besonders wichtig.
Denn die frühere Besitzerin muss sich aktuell wegen Rezeptbetrugs vor Gericht verantworten. Sie hat umfassend gestanden, die Beweislast war allerdings auch erdrückend, zumal eine Komplizin aus dem Trio schon gegenüber der Polizei ausgepackt hatte. Noch ist das Urteil nicht gesprochen, aber es ist davon auszugehen, dass die Angeklagte nie wieder eine Apotheke führen wird.
Wirtschaftliche Probleme hatten sie nach eigener Aussage überhaupt erst in die Kriminalität getrieben, ihre beiden Apotheken liefen nicht besonders gut. Nachdem das Trio aufgeflogen und die Apothekerin festgenommen war, meldete sie Privatinsolvenz an. Das Insolvenzverfahren wurde am 1. Juli eröffnet. Die beiden Apotheken wurden zum Teil der Insolvenzmasse.
Den Zuschlag hat Sandra Heyer erhalten. Sie betreibt bereits zwei Linden-Apotheken in Niederlehme und Zernsdorf sowie die Jasmin-Apotheke in Senzig – jeweils brandenburgische Ortschaften südlich von Berlin. Damit konnte sie sowieso nur noch eine weitere Filiale eröffnen. Eine der jetzt übernommenen Apotheken – diese wurden nur im Paket angeboten – sei aber ohnehin nicht wirtschaftlich tragfähig gewesen, berichtet Heyers Ehemann Gregor Knorn, der sich viel um die wirtschaftlichen Belange des Filialverbunds kümmert. Der andere Standort sei dagegen durchaus attraktiv.
Allerdings ging es wegen der besonderen Umstände eben nur mit einem kompletten Neuanfang. Nach Rücksprache mit der Aufsichtsbehörde und der ehemaligen Inhaberin gab diese ihre Betriebserlaubnis zurück, die Nachfolgerin beantragte ihre eigene. Auch das Team in der Apotheke ist ausgetauscht.
Knorn wollte sich und seiner Frau wegen des Insolvenzverfahrens jedwede Diskussion mit den Gläubigern ersparen. Denn selbst wenn nur der leiseste Verdacht einer Rechtsnachfolge im Raum stünde, bestehe die Gefahr, dass irgendjemand mit Ansprüchen vor der Tür stehen könnte, erklärt Knorn seine Bedenken. Zwar hätte man in einer solchen Auseinandersetzung wenig zu befürchten, den Aufwand hätte das Paar aber gleichwohl.
Die Gespräche in der Apotheke reichen dem Team aus – denn natürlich hat sich der Fall längst herumgesprochen. Schon als es im Frühjahr erste Berichte über den Rezeptbetrug gab, sahen sich die nicht betroffenen Apotheken genötigt, sich öffentlich zu distanzieren. Auch Knorn erklärte gegenüber der MAZ: „Wir finden es schade, dass aufgrund von Skrupellosigkeit und Gier ein ganzer Berufsstand in Verruf gebracht wird.“
Dabei ist Knorn niemand, der vorschnell den Stab über den Menschen bricht. Im Gegenteil: Als die Angeklagte zwischenzeitlich aus der Untersuchungshaft entlassen war, durfte sie vorübergehend sogar als Angestellte in einer von Heyers Apotheken arbeiten. Man kannte sich über Ecken. Das ganze Ausmaß des Falls war zu dieser Zeit allerdings auch nicht bekannt und der Haftbefehl wurde auch schnell wieder in Kraft gesetzt. Während die ehemalige Inhaberin auf ihr Urteil wartet, möchte das Team der Bestwin-Apotheke möglichst mit der Vergangenheit anschließen und an dem Standort etwas Neues aufbauen.
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