Im kompletten Verbot des Rx-Versandhandels sieht die ABDA eine angemessene Reaktion, falls der Europäische Gerichtshof (EuGH) das Rx-Boni-Verbot für ausländische Versandapotheken kippen sollte. „Sie kennen unsere Position, der Versandhandel ist von Übel. Wir fordern seit Langem das Verbot“, sagte ABDA-Präsident Friedemann Schmidt anlässlich des morgigen bundesweiten „Tags der Apotheke“. Allerdings rechnet Schmidt nicht damit, dass der EuGH dem entsprechenden Antrag des Generalanwaltes folgen wird.
„Ich bin sehr optimistisch, dass das einer der wenigen Fälle ist, in denen die EuGH-Richter dem Votum des Generalanwaltes nicht folgen“, so der ABDA-Präsident. Falls Schmidts Hoffnungen trügen, will die ABDA „alle politische Maßnahmen“ ergreifen, um das deutsche Apothekensystem stabil zu halten. Das Rx-Versandhandelsverbot sei nur eine Möglichkeit, so der ABDA-Chef. Welche anderen Maßnahmen das sein könnten, ließ Schmidt offen.
Denkbar wäre, dem Versandhandel über Regularien das Leben schwer zu machen. So könnten Versandapotheken beispielsweise Vorgaben zur Kühlung der Arzneimittel auf dem Transportweg gemacht und Lieferfristen festgelegt werden. Von der Bundesregierung erwartet die ABDA jedenfalls rasche Gegenmaßnahmen, falls das deutsche Arzneimittelpreisrecht mit dem für Herbst erwarteten EuGH-Urteil nicht mehr für ausländische Versender gelten sollte.
Schmidt räumte ein, vom Generalanwalt beim EuGH überrascht worden zu sein: „Das habe ich nicht für möglich gehalten.“ Das Überraschendste am Votum sei, dass Maciej Szpunar den EU-Konsens über den Ländervorbehalt in der Gesundheitspolitik aufgekündigt habe. Weil dies gegen geltende EU-Traditionen in der Gesundheitspolitik verstoße, sei er „sehr optimistisch“, dass der EuGH dem Schlussantrag des Generalanwaltes nicht folgen werde: „In neun von zehn Fällen folgt der EuGH dem Generalanwalt. Das wird einer der Ausnahmefälle sein.“
Ein gemischtes Bild zeichnete der ABDA-Präsident in seiner Bilanz zum „Tag der Apotheke“. Die Berufsaussichten für Apotheker seien und blieben gut, so Schmidt. In vielen Apotheken stehe demnächst ein Generationswechsel an. „Und der Bedarf an Apothekern wächst auch in der pharmazeutischen Industrie“, so der ABDA-Präsident. Erfreut zeigte sich Schmidt auch über die leicht auf über 2000 gestiegene Zahl von Approbationen im Zeitraum 2014/15.
Auf der anderen Seite berichtete Schmidt von Verunsicherung und Unzufriedenheit in der Apothekerschaft. Die Apotheker stünden vor regulatorischen, ökonomischen und fachlichen Herausforderungen. Zwar sei die Politik „weitgehend überzeugt“ von der Notwendigkeit der Erhöhung der Gebühren für Rezeptur- und BtM-Rezepten. Allerdings habe die Bundesregierung die grundsätzliche Honorarfrage vertagt. „Das gefällt uns nicht“, so Schmidt.
Von der Bundesregierung forderte Schmidt auch vor dem Hintergrund des EuGH-Verfahrens die Bestätigung des Fremd- und Mehrbesitzverbotes, eine „Absicherung“ der Arzneimittelpreisverordnung und die „Fortschreibung der Apothekenpflicht für Arzneimittel“.
In der Beratung der wachsenden Zahl von Patienten mit Polymedikation sieht der ABDA-Chef erhebliche Chancen für die Apotheker. Notwendig sein dazu aber eine Stärkung der Rolle der Apotheker beim elektronischen Medikationsplan ab 2018. Dieser müsse „unerlässlich unterlegt“ werden mit einer Medikationsanalyse und einer entsprechenden Honorierung.
Laut ABDA-Zahlen erhalten ab Oktober 2016 rund 15 Millionen Patienten mit drei und mehr Medikationen einen Anspruch auf den zunächst in Papierform auszugebenden Medikationsplan. Man werde werde nicht für alle diese Patienten eine Mediaktionsanalyse durchführen können. Schmidt: „Das schafft das System nicht.“ Stattdessen müsse man sich auf die „schwierigen und komplizierten Fälle“ konzentrieren.
Als einen Trend in der Apothekerschaft sieht der ABDA-Präsident den Wunsch nach „Arbeiten in heilberuflichen Netzwerken“. Dieser Trend zeige sich bei den Ärzten schon seit längerer Zeit. Immer mehr Apotheker suchten jetzt auch nach Kooperationen und Netzwerken.
Laut ABDA-Hauptgeschäftsführer Sebastian Schmitz setzt sich der Rückgang der Apothekenzahlen 2016 fort: Im 1. Quartal 2016 sank die Zahl um weitere knapp 60 Apotheken. 2015 gaben saldiert rund 200 Apotheken auf. Zum Jahreswechsel gab es noch 20.249 Apotheken in Deutschland.
Während die Zahl der Apotheken zurückgeht, legt die der Beschäftigten in diesem Bereich zu. Sie stieg 2015 um fast 2000 auf den Höchststand von 154.500 an. Schmidt: „Immer mehr Menschen arbeiten in immer weniger Apotheken.“ Vor allem die Zahl des Fachpersonals, steige seit einigen Jahren, „weil der Aufwand für die Betreuung der Patienten immer weiter wächst“.
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