VdPP: Alternativen zum Rx-Versandverbot APOTHEKE ADHOC, 23.12.2016 13:31 Uhr
Nach Ansicht des Vereins demokratischer Pharmazeutinnen und Pharmazeuten (VdPP) zieht Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) mit dem angekündigten Rx-Versandverbot den „einzig richtigen Schluss aus dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH)“. Allerdings widerspricht sich der VdPP in seiner Stellungnahme selbst. Denn er hält auch Alternativen zum Verbot für sinnvoll.
Der EuGH habe einen wirtschaftsliberalen Kurs eingeschlagen, der Handelsbelange klar über Gesundheitsbelange stelle. Nur der Gesetzgeber könne hier eine angemessene Prioritätensetzung wiederherstellen und müsse klarmachen: „Die gute und wohnortnahe Arzneimittelversorgung muss an erster Stelle stehen“, so der VdPP: „Den RX-Versandhandel zu verbieten, wäre die einzig richtige Entscheidung“.
Trotzdem sind für den Verband auch Alternativen vorstellbar: „Das Verbot des Versandhandels mit rezeptpflichtigen Arzneimitteln ist sicher nicht die einzig denkbare Reaktion auf das EuGH-Urteil. Auch neue Vergütungsmodelle für die Beratung oder ein Rabattverbot im SGB V haben ihre Vorteile“, hält sich der VdPP andere Lösungen offen.
Der EuGH konterkariere jeden gesundheitspolitischen Gestaltungsanspruch. Der Marktzugang für ausländische Versandapotheken solle gemäß EuGH gerade deshalb über den Preiskampf gewährleistet werden, weil sie nicht an der Notfall- und Akutversorgung teilnähmen und Präsenzapotheken besser beraten könnten. „Dieses neoliberale Politikverständnis steht im Widerspruch zu früherer EuGH-Rechtsprechung“, so der VdPP. Die Auswirkungen müssten unbedingt auf nationaler Ebene revidiert werden. Freihandel müsse sich an den Auswirkungen auf die Gesundheit der Bevölkerung bemessen.
Der VdPP geht davon aus, dass sich die Rx-Rabatte mittelfristig stark reduzieren oder sogar ganz wegfallen. Das Sozialrecht sei so ausgestaltet, dass Rabatte gerade nicht weitergegeben würden, sondern den Krankenkassen als Kostenträger zustünden. Daher hätte direkt nach dem Urteil verschiedene Kassen Anspruch darauf erhoben und Selektivverträge mit ausländischen Versandapotheken angekündigt.
„Patientinnen und Patienten werden höchstens einen kleineren Teil des Rabattkuchens abbekommen – vorausgesetzt sie gehen zu der von der Krankenkasse ausgewählten (Versand-)Apotheke“, so der VdPP. Somit werde die freie Apothekenwahl mittels Exklusivverträgen wieder einmal infrage gestellt. Selbst wenn finanzielle Vorteile übrig blieben, könne davon keine positive Steuerungswirkung erhofft werden. Gerade Geringverdienende würden so hin zum Versand und weg von einer guten Betreuung getrieben. „Muss man sich eine gute Betreuung in der Apotheke künftig leisten können? Soll gerade das der Versorgung im ländlichen Raum förderlich sein?“, fragt der VdPP.
Die Rx-Boni sind für den VdPP aber nur ein weiterer Punkt, der für eine weitestgehende Begrenzung spricht. Denn der Versandhandel sei „per se nicht in der Lage, eine gute Arzneimittelversorgung zu gewährleisten“.
„Die proaktive Nachfrage ist für eine patientengerechte Beratung ebenso notwendig wie der persönliche Kontakt. Die zwischenmenschliche Kommunikation ist von entscheidender Bedeutung für die Behandlung. Der Behandlungserfolg fußt auf einem komplexen Geflecht, in dem Suggestionseffekte und Zuwendung eine große Rolle spielen. Empathie ist ein Schlüssel für eine gute Beratung“, so der Verein demokratischer Pharmazeutinnen und Pharmazeuten.
Fachlich korrekte Angaben allein seien für die wenigsten Patienten ausreichend. Diese müssten auch verstanden und angenommen werden. Auch in der notwendigen Akutversorgung, beim Nacht- und Notdienst und nicht zuletzt bei möglichen künftigen Aufgaben von Apotheken im Rahmen von Public Health-Netzwerken könnten Versandapotheken keine adäquate Rolle spielen.
„Nicht zuletzt deswegen ist es widersinnig, aufwändige Programme zur Förderung des ländlichen Raums durchzuführen und gleichzeitig Einrichtungen für eine lebenswerte Infrastruktur, zu der Apotheken sicher zählen, durch Fernabsatz zu gefährden und das ausgerechnet mit der ländlichen Versorgung zu begründen.“