EuGH-Urteil

NRW und Hessen unterstützen Rx-Versandverbot

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Berlin -

Die SPD-geführte Landesregierung von Nordrhein-Westfalen unterstützt die von Bayern angekündigte Bundesratsinitiative für ein Verbot des Versandhandels mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln: „Die NRW-Gesundheitsministerin hält den Vorstoß aus Bayern für einen Schritt in die richtige Richtung. Denn nach dem EuGH-Urteil brauchen wir eine sofortige Lösung, um unsere Apothekenstruktur zu erhalten“, teile das Gesundheitsministerium von Barbara Steffens gegenüber APOTHEKE ADHOC mit. Auch Hessen glaubt an den Plan B.

„Verfassungs- als auch EU-rechtlich ist es möglich, den Versandhandel mit verschreibungspflichtigen Medikamenten zu untersagen“, so ein Sprecher von Ministerin Steffens. NRW habe diese Position bereits vor einiger Zeit im Bundesrat zu Protokoll gegeben. Auch die hessische Landesregierung unterstützt die von Bayern angekündigte Rx-Versandverbotsinitiative. Das Gesundheitsministerium in Wiesbaden teilte mit, dass die ortsnahe Arzneimittelversorgung gewährleistet bleiben müsse. Daher unterstütze man den Vorstoß aus Bayern „fachlich“.

Bereits einen Tag nach dem EuGH-Urteil hatte Bayern Gesundheitsministerin Melanie Huml (CSU) eine Bundesratsinitiative zum Rx-Versandverbot angekündigt. Laut Huml rüttelt das EuGH-Urteil an den Grundfesten der Arzneimittelversorgung. Vor-Ort-Apotheken seien auch künftig notwendig für den Erhalt einer flächendeckenden Arzneimittelversorgung.

Die Ministerin befürchtet, „dass die Versandapotheken vor allem die Versorgung mit hochpreisigen Arzneimitteln und von Chronikern an sich ziehen wollen“. Dann würden viele Apotheken in Stadtrandlagen und wenig frequentierten ländlichen Gegenden ihre wirtschaftliche Grundlage verlieren und müssten schließen. Huml: „Es darf keine Rosinenpickerei zu Lasten der Apotheken vor Ort und damit der ortsnahen Versorgung der Patientinnen und Patienten geben.“

Das individuelle Beratungsgespräch von Angesicht zu Angesicht, eine Rundum-Versorgung im Notfall und eine individuelle Arzneimittelherstellung seien „Wesensmerkmale der Apotheken vor Ort“. Das könne weder das Callcenter einer Internetapotheke noch ein Abgabeautomat leisten.

Zuletzt hatte die Länderkammer sich 2012 für ein Rx-Versandverbot ausgesprochen, war aber am Widerstand der schwarz-gelben Regierung mit Daniel Bahr (FDP) als Gesundheitsminister gescheitert.

Doch der Druck auf Bundesgesundheitsmnister Hermann Gröhe (CDU) wächst: Eine Allianz aus Apotheker und Ärzten in Westfalen-Lippe fordert die nordrhein-westfälische Landesregierung auf, Bayern Bundesratsinitiative zu unterstützen. „Die deutsche Politik hat verstanden, was auf dem Spiel steht. Es geht um die sichere Versorgung mit Arzneimitteln in allen Regionen des Landes durch Präsenzapotheken. Inzwischen droht aber auch weiterer Europa-Verdruss, den wir nicht brauchen“, so Dr. Klaus Michels, Vorsitzender des Apothekerverbandes Westfalen-Lippe (AVWL).

Zudem gibt es innerhalb der Union Stimmen für ein Rx-Versandverbot: Neben der gesundheitspolitischen Sprecherin der CDU/CSU-Fraktion, Maria Michalk, sieht auch CDU-Arzneimittelexperte Michael Hennrich keine rechtlichen Hindernisse: „Wir müssen jetzt gesetzgeberisch tätig werden. Der EuGH hat einen rechtssicheren Weg bereits aufgezeigt. So hat er in früheren Entscheidungen ausdrücklich festgestellt, dass ein vollständiges Verbot von Versandapotheken möglich wäre.“

Für Michalk ist das Rx-Versandverbot ebenfalls eine Option: Ein Versandhandelsverbot für deutsche Arzneimittel sei „überlegenswert“. Für die inhabergeführten Apotheken dürfen in Deutschland aufgrund des Urteils keine Wettbewerbsnachteile entstehen. Apotheken sind ein wichtiger Bestandteil einer sicheren und verlässlichen medizinischen Versorgung vor Ort“, sagte Michalk.

Skepsis gegenüber einem Rx-Versandverbot herrscht nach wie vor in der SPD-Bundestagsfraktion: „Wir können den Versandhandel den Verbrauchern nicht mehr wegnehmen“, sagte die für Apothekenfragen zuständige SPD-Gesundheitsexpertin Sabine Dittmar gegenüber APOTHEKE ADHOC. Außerdem sieht sie rechtliche Probleme. Stattdessen schlägt die SPD-Bundestagsabgeordnete eine „differenzierte Honorarordnung“ für Apotheken vor. Und: AMTS-Modellprojekte wie ARMIN müssten jetzt schnell vorangebracht werden. In die gleiche Richtung argumentiert auch SPD-Fraktionsvize Karl Lauterbach. Zum Rx-Versandverbot äußerte sich Lauterbach nicht. Stattdessen schlug er eine Reaktion über das Apothekenhonorar vor: „Denkbar wäre es beispielsweise, Apothekern die Beratungsleistung besser zu vergüten.“

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