Mit Karabinerhaken auf Werbetour Lothar Klein, 26.10.2016 12:37 Uhr
Eine Woche nach dem EuGH-Urteil hat die ABDA mit ihrer angekündigten Anzeigenkampagne in überregionalen Tageszeitungen begonnen. In der „Süddeutschen Zeitung“ (SZ) erschien heute auf Seite 5 eine viertelseitige Anzeige mit dem Karabinerhaken auf rotem Grund und der Überschrift „Sichern!“. In den nächsten Tagen und Wochen sollen weitere Anzeigen unter anderem in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ (FAZ) folgen. Das Karabinerhaken-Motiv soll zudem in Parteizeitungen wie dem „Bayernkurier“ zum CSU-Parteitag, im SPD-Blatt „Vorwärts“ und im „Union Magazin“ der CDU erscheinen.
In der heutigen Anzeige in der SZ beklagt die ABDA das EuGH-Urteil als Angriff auf „verbriefte Rechte der EU-Mitgliedsstaaten auf selbstständige Ausgestaltung des Gesundheitswesens“. Dadurch werde die Arzneimittelversorgung in Deutschland gefährdet. Statt Beratung durch Pharmazeuten stünden „Preise und Renditen“ im Vordergrund. Ohne Not werde die Rundumversorgung durch Apotheken aufs Spiel gesetzt. „Die Politik muss handeln“, fordert die ABDA.
Ein 2D-Code verweist auf die Internetseite www.wir-sind-ihre-apotheken.de. Dort zeigt eine Uhr auf rotem Grund fünf Minuten vor Zwölf. Zu lesen sind dort die Argumente der ABDA für ein Rx-Versandverbot.
Die SZ-Anzeige ist im Innenteil des ersten Buches im Politikressort geschaltet. Umrandet wird das Motiv im redaktionellen Teil von einem Text über die Rede des Bundesratspräsidenten Stanislaw Tillich zum Volksaufstand in Ungarn unter dem Titel „Mut und Opfer“. Über der Anzeige steht als Seitenaufmacher ein Text über deutsche Rüstungsexporte unter der Überschrift „Waffen in alle Welt“.
Die Apothekerkammer des Saarlandes streicht in ihrer Mitteilung zum EuGH-Urteil die negativen Anreize für die Patienten heraus: Es stehe zu befürchten, dass es nicht wenige von der Zuzahlung befreite Versicherte darauf anlegten, sich „durch sogenanntes ‚Ärzte-Hopping‘ möglichst viele und hochpreisige Medikamente verschreiben zu lassen. Dies nur, um in den Genuss des geldwerten Rezeptbonus zu kommen“, argumentiert Manfred Saar, Präsident der Apothekerkammer des Saarlandes.
Es dürfe nicht sein, dass dies zu steigenden Arzneimittelausgaben bei den Krankenkassen und damit zu Beitragssteigerungen für alle führe. Da im grenzüberschreitenden Versand von Arzneimitteln der deutsche Gesetzgeber aufgrund des Urteils des EuGH keinerlei Regelungsbefugnis mehr habe, „besteht die einzige Möglichkeit, diese falschen Anreizstrukturen abzuschaffen darin, den Versandhandel mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln zu verbieten“, so Saar.
Derweil geht die politische Diskussion über die Reaktion des Gesetzgebers auf das EuGH-Urteil weiter. In der Unionsfraktion zeigt man sich entschlossen, das Rx-Versandverbot voranzubringen. Zwar erwartet man in der Union umgehend eine Klage gegen ein Rx-Versandverbot. Das Risiko, erneut vor Gericht zu scheitern, will man angesichts des damit verbundenen Zeitgewinns aber eingehen. „Damit gewinnen wir zwei bis drei Jahre", heißt es.
Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) bevorzuge wie bei dem Thema Zyto-Ausschreibungen eine Initiative aus den Koalitionsfraktionen, heißt es in der Union. Angesichts der Stimmenvielfalt bei der SPD sei derzeit aber nicht erkennbar, ob ein Rx-Verbot mit dem Koalitionspartner umsetzbar sei. Verwiesen wird auch auf die wettbewerbsrechtlichen Hürden des Rx-Versandverbotes.
So sichere beispielsweise die DIMDI-Länderliste die Einfuhr von Arzneimittel aus Island, den Niederlanden, Schweden und Großbritannien zu. Alle rechtlichen Fragen eines Rx-Versandverbotes müssten sorgfältig geprüft werden. Trotzdem zeigt man sich in der Unionsfraktion zuversichtlich, das Rx-Versandverbot im Rahmen der AM-VSG-Gesetzgebung bis Ende Februar unter Dach und Fach zu bringen – wenn die SPD mitzieht.