Medienschlacht um Rx-Versand Eugenie Ankowitsch, 07.11.2016 15:31 Uhr
Nach dem EuGH-Urteil wird politisch um den Rx-Versandhandel gestritten – Gegner und Befürworter liefern sich einen hitzigen Schlagabtausch. Der Kampf um die Versorgung der Patienten wird auch über die Medien ausgetragen.
In zahlreichen Berichten und Kommentaren setzen sich Journalisten und Gastkommentatoren mit den möglichen Auswirkungen des EuGH-Urteils und den Plänen für ein Rx-Versandverbot auseinander. Während die Apotheker in der Regionalpresse mit ihren Argumenten für eine gesetzliche Regelung werben, holen in den überregionalen Medien die Freunde einer Liberalisierung zum Gegenschlag aus.
So meldet sich Thomaso Duso, Abteilungsleiter Unternehmen und Märkte am Deutschen Institut für Wirtschaft (DIW) in Berlin, in einem Gastkommentar im Handelsblatt zu Wort. Unter der Überschrift „Der völlig falsche Weg“ warnt er davor, den Rx-Versand zu verbieten. „Versandapotheken haben großes Potential, zur flächendeckenden Arzneimittelversorgung beizutragen. Ein Verbot von Versandapotheken wäre kontraproduktiv“, warnt er. „Hier würde technologischer, durch die Digitalisierung ermöglichter Wandel verhindert“.
Stattdessen sollte der Gesetzgeber den Mut haben, neue Instrumente zu nutzen, die geeignet seien, die Ziele der Arzneimittelversorgung zu erreichen und den Wettbewerb zwischen den Apotheken zu fördern. Duso schwebt dabei vor, eine Preisobergrenze für von den Apotheken frei wählbare Servicepauschalen einzuführen, die direkt von den Patienten zu bezahlen wären. Damit schließt er sich den Vorschlägen der Monopolkommission an. „Das Urteil des EuGH bietet eine Chance, neue Wege in der Regulierung des deutschen Apothekenmarktes zugehen“, ist Duso überzeugt.
„Lieber Hermann Gröhe“, wendet sich Ulrich Reitz direkt an den Bundesgesundheitsminister. In seiner Kolumne „Brief von Ulrich Reitz“ macht er Gröhes Herkunft und Glauben für dessen Haltung verantwortlich: Gröhe sei „ein rheinländischer Kapitalist, ergo das Gegenteil von einem (neo)liberalen Marktwirtschaftler“, so der streitbare Journalist. Obwohl er Protestant sei, habe er es in die „befrackte Schützen-Gesellschaft“ geschafft, die im katholischen Neuss die Geschicke lenke. „Ob dieses enge Netzwerk“ Gröhe aber auch noch helfen lönne , wenn „die Schweizer Pillenversender“ vor dem EuGH klagten, bezweifelt Reitz.
Etwas „liebenswert Antiqiertes“ sieht der ehemalige Chefredakteur in Gröhes Plänen zum Rx-Versandverbot. Immerhin, so schreibt er sarkastisch, hätten die Privilegien „eine saubere historische Begründung“: Mit der Vorschrift, ausschließlich ein Pharmazeut dürfe eine „Arzneimittelverteilstation“ leiten, „schütze man doch das Volk vor beutelschneiderischen Quacksalbern“. Er fragt, ob diese Privilegien stärker als die Digitalisierung sind und lässt durchblicken, dass es aus seiner Sicht nicht der Fall sein darf.
Reitz unterstellt Gröhe außerdem indirekt eine zu große Nähe zu den Akteuren des Gesundheitswesens. Böse Zungen würden behaupten, Gröhe hätte sich das „Wohlwollen von Ärzten, Kassen und Krankenhäusern durch eine Politik der lockeren Geldbörse erkauft“, schreibt er. Nun habe der Bundesgesundheitsminister „richtig Ärger“ mit einer „seltsamen großen Koalition aus Sozis, Marktwirtschaftlern und Schweizern“.
Am Wochenende meldete sich der Ex-Chef der Monopolkommission zu Wort: In der Welt am Sonntag bezeichnete Professor Dr. Daniel Zimmer das geplante Rx-Versandverbot als „rückwärtsgewandt“. Auch das Fremdbesitzverbot erinnere ihn „eher an das Zunftwesen im Mittelalter“ als an eine „zeitgemäße Branche“.
Der Artikel mit der Überschrift „Halt“ beginnt mit der Aussage: „Die meisten Apotheken sind noch organisiert wie vor 100 Jahren: ein Apotheker, ein Laden, ein Labor.“ Die Autoren machen sich einen Genuss daraus, über so ziemlich jede Regeln der Apothekenbetriebsordnung herzuziehen. Mit dabei ist Mycare-Chef Christian Buse, der die starke Regulierung des deutschen Apothekenwesens beklagt: „In der Apotheke ist alles geregelt, was man irgendwie regeln kann. Da ist viel Irrsinn dabei.“
Die Debatten über zum Rx-Versandverbot verfolgt der Vorsitzende des Bundesverbandes Deutscher Versandapotheken (BVDVA) naturgemäß mit Sorge. Müssen doch die in seinem Verband organisierten Versandapotheken fürchten, dass die Bundesregierung sich dazu durchringt, den Rx-Versandhandel komplett zu verbieten. „Es heißt immer, es gehe um die flächendeckende Versorgung. Dabei geht es eigentlich nur darum, das bestehende System, festzuschreiben und Wettbewerb im Keim zu ersticken“, kritisiert Buse.
In anderen Medien kommen die Apotheker zu Wort. Sie versuchen unisono, über ihre Aufgaben aufzuklären, weisen auf die Herausforderungen des Apothekeralltags hin und warnen vor den Konsequenzen des EuGH-Urteils für die Arzneimittelversorgung in Deutschland.
Im Lokalteil Fürstenfeldbruck der Süddeutschen Zeitung versucht beispielsweise Gerhard Menges, Apotheker aus Germering, die Leser zu sensibilisieren: „Wir machen die Beratung und die Notdienste, eine Versandapotheke benötigt sicherlich nur ein Callcenter und nimmt dort Bestellungen entgegen“. Die Extra- oder Zusatzleistungen, die die Präsenzapotheken erbringen, könnten die Versandapotheke nicht leisten.
Ein wichtiges Argument gegen den ausländischen Versandhandel ist aus Sicht der Apotheker auch die Tatsache, dass sie Arbeitsplätze am Ort schaffen. In der Westfalenpost wird erklärt, dass das EuGH-Urteil die Branche unter Druck setzen könne. Jede achte Apotheke habe in den vergangenen Jahren bereits geschlossen. Auch im Schlei-Boten und in vielen anderen Regionalzeitungen wird auf die Gefahren hingewiesen.