Fachgesellschaft: Palliativversorgung in Gefahr APOTHEKE ADHOC, 08.11.2016 13:35 Uhr
Die Deutsche Gesellschaft für Palliativmedizin (DGP) sieht die Versorgung schwerstkranker und sterbender Patienten durch das EuGH-Urteil gefährdet. Sie spricht sich für ein Versandverbot von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln aus.
Das EuGH-Urteil zu Rx-Boni könne direkte Auswirkungen auf die palliativmedizinische Versorgung in Deutschland haben und zu einer drastischen Verschlechterung der Patientenversorgung führen, warnt die DGP. Durch den drohenden Preiskampf gerate die Stellung der wohnortnahen Versorgung unter massiven Druck. Nach Auffassung der Fachgesellschaft kann nur die Apotheke vor Ort eine unmittelbare und umfassende pharmazeutische Betreuung schwerstkranker und sterbender Patienten sicherstellen. Hierzu gehörten die zeitnahe Versorgung mit Arznei- und insbesondere Betäubungsmitteln, kühlkettenpflichtigen Arzneimitteln und im Speziellen das Anfertigen von individuellen Rezepturen.
Der Versand von Arzneimitteln verzögere dagegen die nahtlose Therapie und kurzfristige Therapiemodifikationen unnötig und berge zusätzliche Risiken für die Patienten. Die interdisziplinäre Fachgesellschaft fordert deshalb, die „hochwertige pharmazeutische Versorgung durch wohnortnahe Apotheken“ in Deutschland zu sichern und den Rx-Versandhandel zu verbieten.
Einen Grundpfeiler der Versorgung von Palliativpatienten stellt nach Angaben der DGP die Versorgung mit Arzneimitteln zur Symptomkontrolle dar. Wichtig sei dabei neben der schnellen Bereitstellung rund um die Uhr auch die Anfertigung von Individualrezepturen. Als Beispiele nennt die DGP Dosierungen, die nicht als Fertigarzneimittel im Handel sind, sowie das Anfertigen von Salben, Suppositorien oder Lösungen und die sterile Befüllung von Pumpensystemen.
„Um eine Versorgung von Palliativpatienten im ambulanten, häuslichen und vertrauten Umfeld zu ermöglichen, ist dies unerlässlich und kann nur von der Apotheke vor Ort geleistet werden“, betonen die Sprecher der DGP-Sektion Pharmazie. Durch die Schwächung der flächendeckenden Versorgung würden sich die Betreuung ambulanter Palliativpatienten und der nahtlose Übergang aus dem stationären Umfeld verschlechtern oder im schlimmsten Fall für den einzelnen Patienten nicht mehr möglich sein.
Darüber hinaus benötige die Arzneimitteltherapie in der Palliativmedizin ein spezialisiertes Fachwissen. Apotheker trügen als Teil eines interdisziplinären Palliativteams als Ansprechpartner vor Ort im Bereich Arzneimittelinformation, Off-Label-Use von Medikamenten und der Bewertung von klinisch relevanten Wechselwirkungen zur Optimierung der Therapie bei, so die DGP. Dies sei durch das EuGH-Urteil ebenfalls gefährdet.
Die Arzneimittelpreisverordnung stellt nach Auffassung der DGP eine flächendeckende Arzneimittelversorgung zu einheitlichen Preisen und eine Verfügbarkeit von Arzneimitteln auch im ländlichen Bereich sicher. Zudem würden damit defizitäre, nicht kostendeckend abzubildende pharmazeutische Dienstleistungen mitfinanziert. Die Gewährung von Rabatten durch ausländische Versender verzerre diese medizinische notwendige und einheitliche Versorgung zum Nachteil der Patienten.