EuGH-Urteil

AOK: Kein Schutzzaun um Apotheken

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Berlin -

Statt den Versandhandel mit rezeptpflichtigen Arzneimittel zu verbieten, will der AOK-Bundesverband lieber die Rx-Boni ausländischer Versandapotheken in die eigene Tasche stecken. „Wichtiger als ein Schutzzaun um Apotheken sind neue Vertragsmodelle, die überall eine sichere Versorgung mit Arzneimitteln garantierten und Preisvorteile für die Solidargemeinschaft ermöglichten“, so die Dachorganisation der Ortskrankenkassen. Als Mittel der Wahl schlägt der AOK-Bundesverband Selektivverträge vor.

Die Krankenkassen könnten Verträge mit den Versandapotheken schließen, ähnlich wie das mit den Krankenhausapotheken schon jetzt möglich sei, so AOK-Vorschlag. Dabei beruft sich der Kassenverband auf den Bundesverband der Versandapotheken (BVDVA). Dieser habe selbst eine Umstellung der Arzneimittelpreisverordnung (AMPreisV) auf Höchstpreise ins Spiel gebracht. Ausgehandelte Rabatte flössen so direkt von der Versandapotheke an die Kassen.

„Arzneimittel sind grundsätzlich kein Konsumgut“, argumentiert der Vorstandsvorsitzende Martin Litsch. „Boni und Rabatte sollten daher gemäß dem solidarischen Sachleistungsprinzip nicht an Einzelne gegeben werden.“

Bisher hätten die Krankenkassen weder eine vertragliche noch eine gesetzliche Grundlage, den Anspruch auf Boni geltend zu machen und gegebenenfalls auch auf dem Klagewege durchzusetzen. Auch deshalb plädiert der AOK-Bundesverband für eine Anpassung der entsprechenden Rechtsnormen im Sozialgesetzbuch (SGB V) und in der AMPreisV, um den Kassen einen Anspruch auf Boni zu verschaffen.

„Arzneimittel werden von der Solidargemeinschaft gezahlt, Rabatte gehören deshalb auch in den Solidartopf“, so Litsch. Fehlanreize durch Mehrabsatz und Verbrauch seien in einem Sachleistungssystem, das auf Solidarität aufbaue, nicht hinnehmbar.

Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) wirft der AOK-Bundesverband vor, der Lobbypolitik der ABDA zu folgen. Er „nutzt die Gunst der Stunde“ und wolle als Reaktion auf das EuGH-Urteil den Rx-Versandhandel verbieten. Laut EuGH seien von ausländischen Versendern gewährte Preisnachlässe aber rechtens. „Die deutschen Apothekerverbände hatten daraufhin postwendend eine Kampagne gegen den Versandhandel gestartet“, so der AOK-Bundesverband: „Gröhe folgt damit der Argumentationslinie der Bundesvereinigung der Apothekerverbände (ABDA).“

Bereits unmittelbar nach dem EuGH-Urteil hatte sich der AOK-Bundesverband für eine Neuordnung der Arzneimittelpreise ausgesprochen: „Verschreibungspflichtige Arzneimittel in Apotheken sind keine Rabattware. Und wenn es Wirtschaftlichkeitsreserven gibt, sollten diese der Versichertengemeinschaft zugute kommen“, sagte Litsch.

Auch Dr. Christopher Hermann, Chef der AOK Baden-Württemberg, sah Chancen, „verkrustete Strukturen im Apothekenmarkt“ aufzubrechen: „Diese überfällige Entwicklung begrüßt die AOK Baden-Württemberg ausdrücklich.“ Die einheitlichen Aufschläge und gesetzliche Rabatte der Apotheken müssten überarbeitet werden, so Hermann.

Zudem sei zur Einführung von Preiswettbewerb das derzeitige Verhandlungsmonopol der Apothekerverbände für Selektivverträge zwischen Krankenkassen und einzelnen Apotheken zu öffnen. So könne die Solidargemeinschaft entlastet und direkte Vorteile auch – etwa über eine Absenkung der Zuzahlung – an die Versicherten weitergegeben werden.

In der Vergangenheit hatten sich Versandapotheken und Kassen wenig um den gesetzlichen Rahmen geschert. Rezepte wurden einfach zur Abrechnung eingeschickt – und meistens auch bezahlt. Nur der Umgang mit der Mehrwertsteuer blieb ein Streitthema, bei dem sich schließlich der Gesetzgeber einschalten musste. Dass die Versender überhaupt dem Rahmenvertrag beigetreten sind, hat nichts mit Rechtstreue zu tun: DocMorris blieb vor dem Beitritt auf den Herstellerabschlägen sitzen – und das war schlichtweg zu teurer.

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