Der Europäische Gerichtshof (EuGH) wird sich am 17. März mit dem deutschen Rx-Boni-Verbot für ausländische Versandapotheken beschäftigen. Für diesen Tag hat der EuGH einen Termin für die mündliche Verhandlung angesetzt. Die Parteien wurden aufgefordert, sich in ihren Plädoyers vor allem auf die Rechtfertigung der Beschränkung zu konzentrieren.
Der EuGH hat darüber zu entscheiden, inwieweit die deutsche Arzneimittelpreisbindung für ausländische Versandapotheken gilt und damit Rx-Boni für Versender wie DocMorris tabu sind. Der Gemeinsame Senat der obersten Gerichtshöfe hatte im August 2012 keine Zweifel, dass das deutsche Arzneimittelpreisrecht europarechtskonform ist.
Doch ein Rechtsstreit zwischen der Wettbewerbszentrale und der Deutschen Parkinson Vereinigung (DPV) wegen DocMorris-Boni landete dennoch überraschend vor dem EuGH: Das Oberlandesgericht Düsseldorf (OLG) legt den Fall im März 2015 in Luxemburg zur Vorabentscheidung vor.
Konkret geht es um Artikel 34 der europäischen Verträge, der die mengenmäßige Einfuhrbeschränkungen sowie alle Maßnahmen gleicher Wirkung zwischen den Mitgliedstaaten verbietet (Warenverkehrsfreiheit), sowie Artikel 36, der solche Beschränkungen erlaubt, die zum Schutz der Gesundheit und des Lebens von Menschen gerechtfertigt sind.
Zum EuGH-Verfahren konnten sich die betroffenen Parteien, alle EU-Organsiationen sowie die Mitgliedsstaaten äußern. Zum Verfahren liegen mehrere schriftliche Stellungnahmen vor. Für die Wettbewerbszentrale, die Bundesregierung und Schweden bestehen keine Zweifel an der Berechtigung des Rx-Boni-Verbots. Italien war in einer sehr knappen Stellungnahme verhalten positiv.
Die DPV, die EU-Kommission und niederländische Regierung sehen das Rx-Boni-Verbot dagegen kritisch. Das dürfte auch damit zusammenhängen, dass mit DocMorris und der Europa Apotheek Venlo (EAV) gleich zwei niederländische Versender am Markt sind, die ihr Geschäft hauptsächlich in Deutschland machen. Die DPV wird von den DocMorris-Anwälten der Hamburger Kanzlei Diekmann vertreten.
Ausführlich widerspricht die Bundesregierung dem Vorwurf, die Arzneimittelpreisverordnung (AMPreisV) behindere den Wettbewerb. Insbesondere verstoße sie nicht gegen den Grundsatz des freien Warenverkehrs: Sie gelte gleichermaßen für alle Apotheken, die verschreibungspflichtige Arzneimittel abgeben. Die Absatzmöglichkeiten ausländischer Versandapotheken würden im Verhältnis zu inländischen Versandapotheken in keiner Weise eingeschränkt.
Sollte der EuGH dem zustimmen, wäre die Klage abzuweisen und Rx-Boni wären verboten. Sehen die Luxemburger Richter dagegen eine einen Verstoß gegen das EU-Recht, wäre dieser zu rechtfertigen. Offenbar konzentriert sich der EuGH auf diese zweite Vorlagefrage des OLG. Offen ist, ob die Richter dies als Maßnahme zur Sicherstellung der Arzneimittelversorgung anerkennen.
Aus Sicht der EU-Kommission sind Rx-Boni mitnichten das einzige Mittel, um eine gleichmäßige und flächendeckende Arzneimittelversorgung zu gewährleisten. Die Übertragung der AMPreisV auf ausländische Versandapotheken sei geeignet, „das Volumen des Absatzes von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln aus anderen Mitgliedstaaten einzuschränken und damit den Handel zwischen den Mitgliedstaaten zumindest potenziell zu behindern“, erläutert die Kommission. Durch die Preisbindung werde den Wirtschaftsteilnehmern nämlich eine Methode der Absatzförderung genommen.
Die EU-Kommission hatte diese Kritik schon einmal geäußert und gegen Deutschland ein Vertragsverletzungsverfahren wegen der Ausweitung der Preisbindung eingeleitet. Einer möglichen Klage vor dem EuGH kam das Vorlageverfahren des OLG nun zuvor.
Der Arzneimittelrechtler Dr. Elmar Mand von der Universität Marburg hält es für „extrem unwahrscheinlich“, dass der EuGH das Boni-Verbot kippen wird. Diese Beschränkung sei aus Gründen des Gesundheitsschutzes gerechtfertigt, sagte er im November. Denn dabei hätten die Mitgliedstaaten einen Wertungsspielraum, der EuGH prüfe nationale Regelungen nur auf Stimmigkeit und Schlüssigkeit. Da es in Deutschland keinen Gebietsschutz für Apotheken gebe, werde die flächendeckende Versorgung indirekt über die Preisbindung geregelt, so Mand.
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