ABDA fordert Rx-Versandverbot APOTHEKE ADHOC, 19.10.2016 11:20 Uhr
Mit „Entsetzen“ hat die ABDA auf das Luxemburger Urteil des EuGH reagiert, das die geltende Preisbindung für rezeptpflichtige Arzneimittel als nicht verbindlich für ausländische Anbieter einstuft. „Damit hat der EuGH seine langjährige Rechtsprechung zum Wertungsspielraum der Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU) im Gesundheitswesen in diesem Fall revidiert. Europas höchste Richter haben den eindeutigen Willen des deutschen Gesetzgebers ausgehebelt und die Entscheidungen der obersten deutschen Gerichte negiert“, zeigte sich ABDA-Präsident Friedemann Schmidt enttäuscht.
Bis zuletzt hatten sich die ABDA und ihr Präsident steht zuversichtlich geäußert, dass das deutsche Arzneimittelpreisrecht auch für ausländische Versandapotheken halten werde. Jetzt habe der EuGH „in ein Politikfeld eingegriffen, das gemäß den Europäischen Verträgen den Mitgliedstaaten vorbehalten ist. Es kann nicht sein, dass ungezügelte Marktkräfte über den Verbraucherschutz im Gesundheitswesen triumphieren“, so die ABDA.
Schmidt fordert die Bundesregierung auf, sofort zu handeln: „Jetzt ist die deutsche Politik gefordert! Der Gesetzgeber muss schon aus eigenem Interesse seinen Handlungsspielraum wiederherstellen. Eine denkbare Lösung wäre ein Verbot des Versandhandels mit rezeptpflichtigen Arzneimitteln in Deutschland. Europarechtlich wäre das zulässig.“ Klar ist für die ABDA, „dass die Arzneimittelpreisverordnung für deutsche Apotheken weiterhin gilt.“
Der Deutscher Apothekertag (DAT) hatte bereits vergangene Woche in München in einer Resolution ein Verbot des Versandhandels mit rezeptpflichtigen Arzneimitteln gefordert. Die Hauptversammlung verabschiedete eine entsprechende Resolution. Darin wurde das Rx-Versandverbot allerdings nur verklausuliert gefordert: Die deutsche Arzneimittelpreisverordnung (AMPreisV) müsse dem „europarechtlichen Maßstab“ entzogen werden.
Lutz Tisch, Geschäftsführer Apotheken- und Arzneimittelrecht, begründete die indirekte Formulierung mit der Absicht, eine Emotionalisierung der Diskussion verhindern zu wollen. Daher habe man die Formulierung „zurückhaltender, etwas weniger aufdringlich“ gewählt. Außerdem sei das Rx-Versandverbot nur eine mögliche Reaktion des Gesetzgebers auf das EuGH-Urteil. Man wolle den Gesetzgeber nicht präjudizieren.
Des Weiteren fordert die Resolution die Aufsichtsbehörden der Länder auf, bis zu einer gesetzlichen Regelung dafür zu sorgen, dass im Inland die AMPreisV eingehalten wird, also keine Rx-Boni angeboten werden, um kannibalisierenden Wettbewerb zu verhindern. Der Gesetzgeber wird von der ABDA in der Resolution zudem aufgefordert, das deutsche Arzneimittelpreisrecht „nicht aufzugeben“.
Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) hatte beim DAT nur angekündigt, man werde das Urteil sorgfältig prüfen. Die wohnortnahe Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln genieße oberste Priorität.
Auch Fritz Becker, Präsident des Landesapothekenverbandes Baden-Württemberg (LAV) und Vorsitzender des Deutschen Apothekerverbandes (DAV), reagierte mit Unverständnis auf die EuGH-Entscheidung. Damit „die solide und verlässliche deutsche Arzneimittelversorgung nicht einem Wildwuchs von Dumping, Boni- und Rabattschlachten zum Opfer fällt“, forderte er in einer Stellungnahme ein generelles Versandverbot für verschreibungspflichtige Arzneimittel.
Aus Beckers Sicht konterkariert der EuGH-Spruch auch die bis heute verfolgte Auffassung des deutschen Gesetzgebers sowie der höchsten deutschen Gerichte. „Gerade erst eine Woche ist es her, dass sich Bundesgesundheitsminister Gröhe beim Deutschen Apothekertag in München unmissverständlich zur Qualität und Sicherheit durch ein Netz von wohnortnahen Apotheken bekannt hat – ein Ziel, das mit einer Preisfreigabe bei verschreibungspflichtigen Arzneimitteln in absolute Schieflage geraten wird“, so Becker.
Auch Gabriele Regina Overwiening, Präsidentin der Apothekerkammer Westfalen-Lippe, sprach sich in einer Stellungnahme ebenfalls für ein Verbot des Versandhandels mit rezeptpflichtigen Arzneimitteln in Deutschland. Sie vertritt die Auffassung, dass es auch europarechtlich zulässig wäre. „Für deutsche Apotheken gilt die Arzneimittelpreisverordnung weiterhin“, betonte sie. Die AMPreisV verhindere destruktive Wettbewerbsformen und sichere damit eine flächendeckende Arzneimittelversorgung der Bevölkerung durch ein Netz wohnortnaher Apotheken.