Krankenhäuser genießen in Deutschland viele Privilegien. Ob dazu auch die Herstellung von Sterilrezepturen für die ambulante Versorgung gehört, wird in der kommenden Woche der Europäische Gerichtshof (EuGH) entscheiden. In ihren Schlussanträgen war Generalanwältin Eleanor Sharpston zu dem Ergebnis gekommen, dass die Mehrwertsteuer in diesen Fällen nicht ohne Weiteres erlassen werden kann.
Im konkreten Fall ging es um Umsätze der Apotheke des Klinikums Dortmund aus den Jahren 2005 und 2006. Das Krankenhaus war dank einer Institutsermächtigung zur ambulanten Versorgung berechtigt; in den Räumen der Klinik wurden Krebspatienten aber nicht durch Krankenhaus-, sondern durch selbstständige Ärzte versorgt. Die Rezepturen dagegen wurden durch die Krankenhausapotheke hergestellt.
Von der Mehrwertsteuer befreit werden können laut EU-Richtlinie sowohl Ärzte als auch Krankenhäuser. Während im ersten Fall nur die Heilbehandlung zählt, werden bei Kliniken auch „eng verbundene Umsätze“ berücksichtigt. Gestritten wurde daher über die Frage, ob Krankenhausapotheken von der Mehrwertsteuer befreit sind, wenn sie patientenindividuelle Zubereitungen für selbstständige Ärzte in der ambulanten Versorgung herstellen.
Das Finanzamt vertrat die Auffassung, dass nicht von „eng verbundenen Umsätzen“ auszugehen sei und setzte auf die Erträge Umsatzsteuer fest. In erster Instanz gab das zuständige Finanzgericht der Klage des Klinikums statt; der Bundesfinanzhof (BFH) legte den Fall dem EuGH vor.
Laut Schlussantrag ist die Abgabe von Arzneimitteln auf Rezept grundsätzlich eine eigenständige Leistung, die – anders als möglicherweise der Sprechstundenbedarf – im ambulanten Bereich nicht von der Steuerbefreiung erfasst wird.
Bei der Lieferung patientenindividueller Sterilrezepturen sei zwar von einem „therapeutischen Kontinuum“ auszugehen, weil die Lieferung der Medikamente für die Behandlung „unbedingt notwendig“ ist. Doch es könne nicht davon ausgegangen werden, dass beide Leistungen so eng miteinander verbunden seien, dass sie „objektiv einen einzigen untrennbaren wirtschaftlichen Vorgang bilden, dessen Aufspaltung wirklichkeitsfremd wäre“.
Faktisch sei nicht der Mediziner Empfänger des Arzneimittels, sondern der Patient. Ihm könnten weder Arzt noch Krankenkasse vorschreiben, in die Verabreichung einzuwilligen. Daher sei davon auszugehen, dass der Patient mehr als eine Leistung erhalte – nämlich die Heilbehandlung durch den Arzt und das medizinische Personal einerseits und die Medikamente von der Krankenhausapotheke andererseits.
„Dass die Person, die die Medikamente liefert, eine andere ist als diejenige, die die Heilbehandlung durchführt, schließt es insoweit meines Erachtens aus, die beiden Leistungen zusammen als einheitlichen Vorgang zu betrachten, unabhängig davon, dass keine der Leistungen ohne die andere einen sinnvollen Zweck erfüllen kann“, schreibt Sharpston.
Außerdem sei die Arzneimittelabgabe nicht als Nebenleistung zur ärztlichen Behandlung anzusehen: „Tatsächlich kann man sogar die Lieferung der Medikamente als für den Patienten wichtigsten Aspekt auffassen und die Diagnose, die Verschreibung und die Überwachung der Verabreichung als Mittel, um diese Leistung unter optimalen Bedingungen in Anspruch zu nehmen.“
Dass dabei womöglich der Grundsatz der steuerlichen Neutralität verletzt wird, ist aus Sicht von Sharpston Sache des Gesetzgebers. Auch der BFH hatte in ähnlichem Zusammenhang bereits Nachbesserungsbedarf gesehen: Apotheken in gemeinnützigen Krankenhäusern sind nämlich laut Urteil aus dem vergangenen Jahr auch von der Körperschafts- und Gewerbesteuer befreit, wenn sie Sterilrezepturen für die ambulante Versorgung herstellen. Dass Klinikapotheken damit womöglich einen Wettbewerbsvorteil gegenüber öffentlichen Apotheken hätten, müssten EU-Kommission und Gesetzgeber prüfen.
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