KV Sachsen

Eugenik-Aussagen: Ärzte distanzieren sich von Kassenärzte-Chef Laura Schulz, 30.08.2024 16:25 Uhr

Der Chef der Kassenärztlichen Vereinigung Sachsen, Dr. Klaus Heckemann, hat sich in einem Vorwort zur Humangenetik geäußert und von „Eugenik“ gesprochen. Das stößt auf Kritik. Der Ruf nach Konsequenzen wird laut. Foto: Abda/Wagenzik
Dresden - 

Mit einem Leitartikel zum Thema Humangenetik hat der Chef der Kassenärztlichen Vereinigung Sachsen (KVS), Dr. Klaus Heckemann, eine Welle der Kritik ausgelöst. Er schreibt darin unter anderem von genetischer Diagnostik und „Eugenik in ihrem besten und humansten Sinn“. Der Hauptausschuss der KVS distanzierte sich in einer Mitteilung von diesen Aussagen „hinsichtlich Stil, Wortwahl als auch inhaltlicher Positionierung“ nachdrücklich.

„Eugenik“ steht für die Lehre der vermeintlich guten Erbanlagen. Die Nationalsozialisten verübten unter dem Deckmantel dieses Begriffs Massenmorde an behinderten Menschen zum Zweck der vermeintlichen „Erb- und Rassenhygiene“. In seinem Leitartikel, der in der Juni-Ausgabe der „KVS-Mitteilungen“ erschien, beschreibt Heckemann eine „Zukunftsvision“ zu Gentests. Allen Frauen mit Kinderwunsch soll demnach eine komplette Mutationssuche nach erblichen Erkrankungen angeboten werden.

Der Hauptausschuss der KVS schrieb, Heckemanns Äußerungen rückten ein gesellschaftlich wie medizinisch relevantes und sehr bedeutendes Thema in ein falsches Licht. Er habe damit eine Grenze überschritten. Der Hauptausschuss werde mit der Vertreterversammlung notwendige Konsequenzen diskutieren. Heckemann äußerte sich auf Nachfrage zunächst nicht zu den Vorwürfen.

Auch das sächsische Sozialministerium distanzierte sich von den Aussagen Heckemanns, wie ein Sprecher auf Anfrage mitteilte. „Das Sozialministerium und ich schließen uns ausdrücklich der Kritik der Verbände und Fachgesellschaften an“, sagte Sozialministerin Petra Köpping (SPD) demnach. Die Vielzahl entsetzter Reaktionen zeigten, dass diese Aussagen der KVS und den dort organisierten Ärztinnen und Ärzten schaden. „Wir haben heute das persönliche Gespräch mit Dr. Klaus Heckemann gesucht und unsere Position zum Ausdruck gebracht.“

Offener Brief von Vertretern der Dresdner Hochschulmedizin

Zuvor hatten Vertreter der Dresdner Hochschulmedizin Heckemann in einem offenen Brief an Köpping als „nicht mehr tragbar“ bezeichnet. „Mit großer Bestürzung und Sorge, Irritation und Unverständnis haben wir das Editorial zur Kenntnis genommen“, schrieben die Dekanin der medizinischen Fakultät der TU Dresden, Professor Dr. Esther Troost, die Vorstände des Universitätsklinikums Dresden, Professor Dr. Michael Albrecht und Frank Ohi, sowie zahlreiche weitere Ärzte des Klinikums.

In der Zeit des Nationalsozialismus sei der Begriff „Eugenik“ für Maßnahmen zur Rassenhygiene verwendet worden, um „lebensunwertes Leben“ zu reduzieren oder zu eliminieren, schreiben die Unterzeichner. Es sei „schockierend und unverständlich, dass ein prominenter Vertreter der sächsischen Ärzteschaft und Therapeuten ein solches Gedankengut“ öffentlich verbreiten dürfe.

Der gesundheitspolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion, Markus Scholz, kritisierte in einer Mitteilung ebenfalls die Bezüge zu nationalsozialistischem Gedankengut. „Gerade mit Blick auf die NS-Verbrechen an Menschen mit Behinderungen sind die in seinem Editorial getroffenen Aussagen verstörend.“ Heckemann schade damit einmal mehr dem Ansehen des Landes und der sächsischen Ärzteschaft.

Auch KBV distanziert sich

„Der Vorstand der Kassenärztlichen Bundesvereinigung distanziert sich eindeutig und klar sowohl von den Inhalten als auch der Form des Editorials des Vorstandsvorsitzenden der KV Sachsen“, erklären die Vorstände der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), Dres. Andreas Gassen, Stephan Hofmeister und Sibylle Steiner. Die getroffenen Aussagen sein „untragbar und mit der ärztlichen Ethik unvereinbar“.

„Wir als Ärztinnen und Ärzte sowie als Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten tragen eine besondere Verantwortung unseren Patientinnen und Patienten gegenüber. Das gilt in besonderem Maße für Vertreterinnen und Vertreter der berufsständischen Organisationen und Körperschaften. Selbst wenn solche Aussagen als neutrale Abwägung daherkommen, haben sie das Potenzial, menschenverachtende Positionen der NS-Diktatur wieder salonfähig zu machen“, so die KBV weiter.

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