„Firmen müssen sich nicht wundern“

EU verzichtet auf AstraZeneca und Janssen

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Berlin -

Die EU verzichtet künftig auf die Corona-Impfstoffe von AstraZeneca und Janssen und setzt bei der Impfstoffbeschaffung auf Biontech/Pfizer und Moderna. Laut EU-Gesundheitspolitiker Dr. Peter Liese zieht sie damit Lehren aus dem bisherigen Beschaffungschaos: Insbesondere AstraZeneca habe die Bürger der EU „als Bürger zweiter Klasse behandelt“ und müsse sich deshalb nicht wundern, wenn die Kommission nun auf andere Lieferanten setze. Die EU-Kommission bestätigte unterdessen, dass sie plant, einen Rechtsstreit gegen AstraZeneca anzustrengen.

Die EU-Kommission will ihre Optionen auf weitere Impfstoffdosen von AstraZeneca und Janssen nicht nutzen und stattdessen verstärkt auf mRNA-Impfstoffe von Biontech und Pfizer setzen. Er begrüße diese Entscheidung, erklärt Liese. „Kurzfristig müssen wir aber alle in der EU zugelassenen Impfstoffe nutzen, um jedem EU-Bürger bis Sommer ein Impfangebot machen zu können“, so der CDU-Europaabgeordnete und gesundheitspolitische Sprecher der EVP-Fraktion im Europäischen Parlament. Die Impfstoffe von AstraZeneca und Johnson & Johnson seien „eine wichtige Hilfe, um endlich allen Bürgerinnen und Bürgern in der EU ein Impfangebot zu machen“ und zügig die Herdenimmunität zu erreichen. „Dafür reichen die bestehenden Verträge mit 200 Millionen Dosen Johnson & Johnson und 300 Millionen Dosen AstraZeneca mehr als aus.“

Für weitere vertraglichen Beziehungen zwischen EU und den beiden Herstellern sieht Liese hingegen keinen Bedarf. Und das hätten die beiden sich selbst zuzuschreiben, da sie „die Europäische Union nicht fair behandelt“ hätten, so Liese: „Der Fall bei AstraZeneca ist gravierend, weil sie ihre Lieferverpflichtungen nicht eingehalten haben und EU-Bürger, insbesondere gegenüber Großbritannien, als Bürger zweiter Klasse behandelt haben.“ Johnson & Johnson bemühe sich zwar, seine Lieferverpflichtungen für das dritte Quartal einzuhalten. Es sei aber noch nicht absolut sicher, und das Unternehmen habe erst verspätet mit der Lieferung an die EU begonnen, nämlich erst vier Wochen nach der Zulassung. „Die Firmen müssen sich also nicht wundern, wenn die Europäische Union jetzt auf andere Hersteller setzt“, so Liese.

Die EU hatte laut Vertrag mit AstraZeneca die Option auf eine Erhöhung der Liefermenge von 300 auf 400 Millionen Dosen festgeschrieben, bei Janssen bestand die Möglichkeit einer Verdopplung von 200 auf 400 Millionen Dosen. Beide Optionen lässt die EU nun verfallen. Die Einhaltung der bisherigen Lieferzusagen will die EU hingegen zur Not in einem Rechtsstreit erzwingen. Die EU-Kommission bestätigte der Nachrichtenagentur Reuters am Donnerstag eine dahingehende Meldung des Magazins Politico von Mittwochabend. „Was Wichtigste ist nun, dass wir die Lieferung einer ausreichenden Zahl von Impfstoffdosen sicherstellen, wie sie das Unternehmen bereits zugesagt hat“, so ein Kommissionssprecher. „Gemeinsam mit den Mitgliedstaaten prüfen wir derzeit alle Optionen, das umzusetzen.“

Bereits im März hatte sich die Kommission mit einem Brief an AstraZeneca gewandt, um den Streit gütlich zu lösen – dieses Verfahren ist im Vertrag festgeschrieben. Neben Fragen zu Ursachen der gestrichenen Lieferungen und künftige Zusagen wollte die EU auch Informationen zum Verbleib von Fördergeldern erhalten. So habe sie AstraZeneca im September 224 Millionen Euro für die Beschaffung von Vorprodukten zur Herstellung des Impfstoffs zukommen lassen. AstraZeneca habe deren tatsächlichen Erwerb aber nicht ausreichend gegenüber der EU belegt.

Laut Reuters hat AstraZeneca allerdings nicht auf das Scheiben reagiert. Die letzte Antwortfrist sei im April verstrichen. Deshalb will Brüssel nun anscheinend härtere Bandagen aufziehen. Was nämlich auch im Vertrag steht: Im Falle ein es Rechtsstreits sind belgische Gerichte für dessen Beilegung zuständig. Diesen Weg plant die EU nun offenbar zu gehen. „Die EU-Staaten müssen nun entscheiden, ob sie sich daran beteiligen wollen“, so der Kommissionssprecher gegenüber Reuters.

Liese mahnt unterdessen, die zugesagten Impfstoffdosen von AstraZeneca und Janssen auch zu nutzen. Diese hätten zwar Nachteile gegenüber den mRNA-Impfstoffen. So gebe es bei ihnen etwas mehr Nebenwirkungen und etwas weniger Wirksamkeit, außerdem könnten sie auch nicht so leicht an Virusmutationen angepasst werden wie mRNA-Impfstoffe. Allerdings: „Die Nebenwirkungen bei den Vektorimpfstoffen sind sehr selten und können behandelt werden“, so Liese. „Deswegen appelliere ich an jeden, der ein entsprechendes Impfangebot erhält und für den der Impfstoff empfohlen ist, das Angebot wahrzunehmen.“ Sollten die Lieferzusagen eingehalten werden, „kann man schon vor Ende des Sommers jedem Deutschen, jedem Europäer, ein Impfangebot machen. Wir müssen jetzt auch dafür sorgen, dass die Menschen sich impfen lassen.“

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