Angst vor Engpässen durch neue Regeln

EU verschiebt Medizinprodukteverordnung

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Berlin -

Die EU verschiebt die Umsetzung ihrer umstrittenen Medizinprodukteverordnung (MDR). Die EU-Kommission hat am Freitag einen Vorschlag angenommen, wonach der Geltungsbeginn der neuen Regelungen auf den 26. Mai kommenden Jahres verschoben wird. Nachdem sich monatelang recht wenig tat, hat die Corona-Pandemie nun zu einem Einlenken geführt. Die Hersteller dürften sich freuen.

Viel war von Herstellerseite über die neue Medizinprodukteverordnung geschimpft worden: Sie sei weltfremd und werde zu Versorgungsengpässen führen. Mit einem System der eindeutigen Produkterkennung, der sogenannten Unique Device Identification (UDI), sollen die neuen Regeln Produktfälschungen bekämpfen und die Effektivität sicherheitsrelevanter Aktivitäten erhöhen. Jedes Medizinprodukt muss dazu von einer benannten Stelle geprüft und zertifiziert werden. Anders als bei Securpharm, das auf einer End-to-End-Verschlüsselung basiert, bei der jede Packung einen einzigartigen QR-Code hat, überspielen die Hersteller von Medizinprodukten die Daten auf einen Server, von dem jede Abgabestelle sie wiederum abrufen kann. Die Hersteller sind verpflichtet, eine Datenbank einzurichten und sie dort zu speichern, um im Falle von Problemen die notwendigen Informationen an die gesamte Lieferkette herauszugeben.

Tatsächlich war absehbar, dass die benötigte Zahl an benannten Stellen zur Zertifizierung nicht bis zum angedachten Beginn am 26. Mai erreicht werden kann. Auch mit der Datenbank gab es bisher Probleme. Und dann kam auch noch die Corona-Krise. Herstellerverbände, darunter auch der BAH, haben deshalb gefordert, die Umsetzung der Verordnung auszusetzen. Es gebe nach wie vor zu wenige benannte Stellen, um die Umsetzung und vor allem eine flächendeckende Zertifizierung und Auditierung der betroffenen Medizinprodukte zu gewährleisten, schrieb der BAH Anfang April.

Durch die Corona-Pandemie werde dieser Engpass nun noch einmal verschärft. Von den ohnehin wenigen benannten Stellen seien die italienischen bereits geschlossen. Die übrigen benannten Stellen hätten ihre Tätigkeiten bereits eingeschränkt: Die Bearbeitung der Anträge auf Zertifikate erfolge nicht mehr. „Um die Versorgung der Patienten mit Medizinprodukten auch nach dem 26. Mai 2020 sicherzustellen und einen Engpass mit Medizinprodukten zu vermeiden, ist eine Verschiebung des Geltungsbeginns der MDR bis zum Ende der Corona-Pandemie notwendig“, so der BAH.

Die Worte der Hersteller wurden nun in Brüssel erhört. Die EU-Kommission hat einen Vorschlag aus dem EU-Parlament angenommen, wonach die Regeln erst ein Jahr später scharf gestellt werden. Die vorgeschlagene und nun angenommene Verordnung begründet die Verschiebung ausdrücklich mit dem gestiegenen Bedarf durch die aktuelle Krise, nicht mit den Problemen, über die die Hersteller seit Monaten klagen. „Die durch die Covid-19-Krise bedingte Ausnahmesituation erfordert erhebliche zusätzliche Ressourcen sowie eine größere Verfügbarkeit lebenswichtiger Medizinprodukte, was zum Zeitpunkt der Annahme der Verordnung (EU) 2017/745 so vernünftigerweise nicht vorhersehbar war“, so die vorgeschlagene Änderung der Verordnung.

Insbesondere Medizinprodukte wie medizinische Handschuhe, OP-Masken, Material für die Intensivpflege und anderes medizinisches Material würden angesichts aktuellen Pandemie und der damit einhergehenden Krise im Bereich der öffentlichen Gesundheit eine entscheidende Rolle dabei spielen, „die Gesundheit und Sicherheit der Unionsbürger zu gewährleisten und die Mitgliedstaaten in die Lage zu versetzen, den Patienten die dringend benötigte medizinische Behandlung zuteilwerden zu lassen“. Da nicht absehbar ist, dass bis Ende Mai schnell genug Audits und Zertifizierungen durchgeführt werden können, müsse man den Beginn verschieben.

Bei CDU, SPD und FDP trifft der Schritt auf Zustimmung. „In ganz Europa kämpfen Ärzte und Pflegepersonal um das Leben von Patienten. Dazu brauchen sie dringend Medizinprodukte, zum Beispiel Beatmungsgeräte“, so die Europaabgeordneten Dr. Peter Liese (CDU), Tiemo Wölken (SPD) und Andreas Glück (FDP) in einer gemeinsamen Stellungnahme. „Die Firmen die diese Geräte herstellen haben schlicht keine Zeit für lange Prozeduren.“ Deswegen sei es richtig, dass die Europäische Kommission jetzt vorgeschlagen hat, die Regeln der neuen Medizinprodukteverordnung ein Jahr nach hinten zu verschieben. „Wir brauchen jetzt keine Bürokratie und keinen Papierkram, sondern schnelle Verfahren und möglichst viel Hilfe für die Patienten, die um ihr Leben kämpfen“, so die EP-Abgeordneten.

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