EU-Parlamentarier gegen Apothekenketten Patrick Hollstein, 12.03.2008 07:24 Uhr
Der Verlauf der europaweiten Debatte um die Zukunft der pharmazeutischen Versorgung und die Rolle der Europäischen Kommission versetzt offenbar die Europa-Abgeordneten in Aufruhr. Im EU-Parlament werden jetzt Unterschriften gegen die Vertragsverletzungsverfahren der EU-Kommission gesammelt, mit denen verschiedene Regelungen zum Besitz und Betrieb von Apotheken gekippt werden sollen. Bis zum 8. Mai können die 785 Abgeordneten eine entsprechende Schriftliche Erklärung zeichnen.
In der Resolution wird die Kommission aufgefordert, „den Willen des Parlaments zu respektieren und anzuerkennen, dass die Entscheidungen im Gesundheitsbereich mit den Bürgern Europas abgestimmt werden müssen und dass auch bei Berücksichtigung der Erfordernisse des Binnenmarkts der Gesundheitsschutz der Bürger Europas immer an erster Stelle stehen muss“.
Die Politiker erinnern daran, dass Gesundheitsdienstleistungen nach dem Willen des Europäischen Parlaments vom Anwendungsbereich der Dienstleistungsrichtlinie ausgeschlossen worden seien, da sie besondere Beachtung verdienten. Trotzdem habe die Kommission gegen Italien, Frankreich, Spanien und Österreich Verfahren eingeleitet.
Eine Deregulierung des pharmazeutischen Sektors könne aber dazu führen, dass es zu einer Konzentration der Apotheken in den Händen einiger weniger Besitzer komme: Dann bestehe die Gefahr, dass es in ländlichen und wirtschaftlich wenig attraktiven Regionen nur wenige Apotheken gebe. Die derzeitige Rolle des Apothekers, die darin bestehe, in einer Gemeinschaft eine stabile Präsenz zu gewährleisten, könne durch kommerzielle Faktoren aufs Spiel gesetzt werden.
Wörtlich heißt es: „Das Europäische Parlament fordert die Kommission dringend auf, demokratischere Mechanismen in Erwägung zu ziehen, um anstelle von Gerichtsverfahren Reformen von solcher Tragweite durchzuführen.“
Die Initiative geht auf die italienischen Abgeordneten Adriana Poli Bortone (Fraktion Union für das Europa der Nationen), Patrizia Toia (Fraktion der Allianz der Liberalen und Demokraten für Europa), Stefano Zappala (Fraktion der Europäischen Volkspartei und europäischer Demokraten) und Nicola Zingaretti (Sozialdemokraten) zurück. Wenigstens die Hälfte der Abgeordneten muss die Erklärung unterschreiben, damit diese der Kommission zugestellt wird.
Die Unterschriftensammlung begann anlässlich einer Kleinen Plenarsitzung am 30. Januar 2008. Einen Tag später leitete die EU-Kommission auch gegen Deutschland und Portugal ein Vertragsverletzungsverfahren ein. Entsprechend beinhaltet das Dokument nur die älteren Verfahren gegen Österreich, Spanien, Italien und Frankreich.
Erst vor kurzem hatte sich eine Mehrheit der EU-Parlamentarier gegen die Entwicklungen auf dem Binnenmarkt ausgesprochen und die EU-Kommission aufgefordert, „die Auswirkungen der Konzentration des EU-Supermarktsektors auf Kleinunternehmen, Zulieferer, Arbeitnehmer und Verbraucher zu untersuchen“ und „geeignete Maßnahmen vorzuschlagen, um Verbraucher, Arbeitnehmer und Hersteller vor jeglichem Missbrauch einer beherrschenden Stellung zu schützen“.