EU: Zehn Jahre Ketten-Kommission APOTHEKE ADHOC, 28.06.2015 09:23 Uhr
Heim- und Krankenhausversorgung, Versandhandel, Reimporte: Seit Jahren beschäftigt sich die EU-Kommission auch mit Apotheken- und Arzneimittelthemen. Regelrecht verbissen hatte sich die Brüsseler Behörde in das Fremd- und Mehrbesitzverbot und in Niederlassungsbeschränkungen für Apotheken. Zwischen 2005 und 2008 wurden Vertragsverletzungsverfahren gegen neun der 25 Mitgliedstaaten eingeleitet.
Zehn Jahre ist es her, dass die Apotheken ins Visier der Brüsseler Behörde gerieten: Am 21. März 2005 verschickte die Kommission ihr erstes offizielles Mahnschreiben. Darin ging es um das italienische Fremdbesitzverbot verbunden mit einem Verbot, nach dem sich Großhändler nicht an kommunalen Apotheken beteiligen können sollten. Am 5. August 2004 hatte sich Celesio in Brüssel über die Regelungen beschwert.
Am 13. Juli 2005, wurde das Verfahren gegen Spanien eröffnet. Der Apothekerverein Plafarma hatte sich seit 1995 immer wieder an die Brüsseler Behörde gewandt. Am 18. Oktober 2005 folgte der erste Mahnbrief an Österreich; das Verfahren ging auf ein Gutachten des Centrums für Europarecht der Universität Passau zurück, in dem die Probleme kritisiert wurden, mit denen eine deutsche Apothekerin bei der Niederlassung im Burgenland konfrontiert worden war. Der Autor der Studie, Martin Selmayr, ist heute als Kabinettschef bei Jean-Claude Juncker einer der einflussreichsten Beamten in Brüssel.
Am 21. März 2007 wurde das Verfahren gegen Frankreich eröffnet; am 31. Januar 2008 gingen Mahnschreiben nach Berlin und Lissabon: Das Verfahren gegen das deutsche Mehrbesitzverbot ging auf eine parlamentarische Anfrage des EU-Abgeordneten Dr. Andreas Schwab (CDU) zurück. Kurz darauf folgte das Verfahren gegen Bulgarien, das die Regierung in Sofia zu einer Gesetzesänderung veranlasste – mit der sich die Kommission aber nicht zufrieden gab.
Ein zweites Verfahren gegen Italien wurde ebenfalls 2008 eingeleitet. Wann und wie die Verfahren gegen Zypern und Griechenland zustande kamen, ist wegen der Geheimhaltung in Brüssel nicht bekannt. Für ihre Informationspolitik kassierte die Kommission sogar eine Rüge vom EU-Ombudsmann. Verschont blieben von den Ländern mit Fremdbesitzverbot eigentlich nur Finnland, Dänemark und Schweden sowie das bedarfsplanerische Großbritannien.
Zusätzlich zu den Vertragsverletzungsverfahren gab es Vorabentscheidungsersuchen von einem deutschen und einem spanischen Gericht. Der erste Fall kam aus dem Saarland und beschäftigte sich mit der DocMorris-Apotheke in Saarbrücken; bei der spanischen Anfrage ging es um die Niederlassungsbeschränkungen im Fürstentum Asturien.
Doch nicht mit juristischen Mitteln machte sich die Kommission für Apothekenketten stark: Beim niederländischen Forschungsunternehmen Ecorys wurde eine Studie in Auftrag gegeben, die sich für einen Abbau der Regelungsdichte im Apothekenmarkt aussprach. Am 15. Oktober 2008 fand bei der Generaldirektion Binnenmarkt außerdem ein Workshop statt, bei dem sich rund Hundert geladene Vertreter verschiedener Interessengruppen hinter verschlossenen Türen über viel pro und wenig kontra einer Liberalisierung des Apothekenmarktes austauschten. Der EU-Großhandelsverband sprach damals über Vorteile der Liberalisierung.
Überhaupt war die Brüsseler Behörde damals Anlaufstelle für jeden, der für Ketten war: Der damalige Gesundheits- und Justizminister des Saarlands, Josef Hecken, beschwerte sich bei McCreevy über die deutschen Regelungen. Später pochte Hecken als Chef des Bundesversicherungsamts auf die bedingungslose Einhaltung der Rechtsnormen.
Am 19. Mai 2009 zerfielen mit der EuGH-Entscheidung zu DocMorris und dem Fall aus Italien Detaildie Träume der Kommission von einem europäischen Kettenmarkt; ein Jahr später wurde auch die Bedarfsplanung in dem spanischen Vorlageverfahren für rechtmäßig erklärt. Vor dem EuGH wurden später noch einmal Details der Bedarfsplanung in Österreich sowie Privilegien für Parafarmacien in Italien verhandelt – ohne grundlegend neue Erkenntnisse.
Dabei hatte man in Brüssel vor vielen Jahren selbst einmal ein europaweites Fremdbesitzverbot geplant: In einem Vorschlag für eine Richtlinie zur „Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die selbständigen Tätigkeiten des Kleinvertriebs von Arzneimitteln“ aus dem April 1969 hieß es, die persönliche Verantwortung des Offizinapothekers schütze die Volksgesundheit am besten. „Die Mitgliedstaaten stellen sicher, daß der Offizinapotheker zumindest Eigentümer der Einrichtung und der technischen Ausrüstung der Offizin ist, in der er seine Tätigkeit ausübt“, hieß es in dem Vorschlag, der nie umgesetzt wurde.