Vertragsverletzungsverfahren

EU-Kommission gegen Mehrbesitzverbot Patrick Hollstein, 31.01.2008 20:18 Uhr

Berlin - 

Die EU-Kommission in Brüssel hat offenbar wegen des Mehrbesitzverbotes für Apotheken ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland eingeleitet. Eine Sprecherin des für Binnenmarkt und Dienstleistungen zuständigen Kommissars Charlie McCreevy bestätigte am Abend gegenüber APOTHEKE ADHOC, dass ein so genannter „Letter of Formal Notice“ an die Bundesregierung verschickt werde.

Nähere Details wurden bislang in Brüssel nicht bekannt gemacht. APOTHEKE ADHOC hatte bereits vor zwei Wochen aus Kommissionskreisen erfahren, dass ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland erneut zur Diskussion stehe. Bislang hatte die Kommission sich wegen eines bereits laufenden Vorabentscheidungsverfahrens nicht mit den deutschen Regelungen zum Besitz von Apotheken beschäftigt. Das Verwaltungsgericht des Saarlandes hatte im Rechtsstreit um die DocMorris-Filiale in Saarbrücken, die gegen geltendes deutsches Recht durch eine Kapitalgesellschaft betrieben wird, den Europäischen Gerichtshof (EuGH) eingeschaltet. Der Fall DocMorris wird voraussichtlich im Frühsommer verhandelt.

Möglicherweise ist die Brüsseler Behörde jedoch darauf aufmerksam gemacht worden, dass der anhängige Prozess sich nur auf das Fremdbesitz-, nicht aber auf das Mehrbesitzverbot bezieht. Selbst wenn der EuGH also zugunsten der saarländischen Landesregierung entscheiden sollte, müsste die Bundesregierung nur den Fremdbesitz, nicht aber die Bildung von Apothekenketten zulassen.

Vor diesem Hintergrund könnte die Kommission nicht nur gegen Deutschland, sondern auch gegen andere Länder mit ähnlichen Regeln neu vorgehen. Möglicherweise ist auch die portugiesische Regierung angeschrieben worden, die im vergangenen Jahr zwar den Fremdbesitz, nicht jedoch den Mehrbesitz zugelassen hatte.

Das Mahnschreiben ist der erste Schritt in einem Vertragsverletzungsverfahren. Nach entsprechender Stellungnahme der Regierung fordert die Kommission die Regierung mit einer so genannten „begründeten Stellungnahme“ auf, die beanstandeten Regelungen innerhalb einer bestimmten Frist abzuschaffen. Kommt der Mitgliedstaat der Aufforderung nicht nach, kann die Kommission den Europäischen Gerichtshof (EuGH) einschalten.

Zurzeit laufen im Zusammenhang mit Besitz- und Niederlassungsbeschränkungen für Apotheken Vertragsverletzungsverfahren gegen Österreich, Spanien und Frankreich. Ein italienisches Verfahren wurde bereits an den EuGH überwiesen. Die Kommission sieht in den Verboten Verstöße gegen die im EU-Vertrag festgehaltenen Grundfreiheiten des Binnenmarktes. Ein spanisches Gericht hat ebenfalls bereits den EuGH eingeschaltet, um eine Vorabentscheidung zum Apothekenrecht zu erwirken.