Securpharm

Einbahnstraße Apotheke Julia Pradel, 14.08.2015 14:23 Uhr

Berlin - 

Klarheit für Securpharm: Die EU-Kommission hat den delegierten Rechtsakt veröffentlicht, mit dem die genauen Vorgaben für die Umsetzung der Fälschungsrichtlinie festgelegt werden. Damit wissen Hersteller, Großhändler und Apotheker nun, was in den kommenden Jahren auf sie zukommt. Eine Wunsch der Pharmazeuten hat es aber nicht in den Entwurf geschafft: Arzneimittel, die sie einmal aus dem System ausgetragen haben, dürfen sie nicht wieder eintragen – auch wenn der Patient das Medikament doch nicht kauft.

In Deutschland wird die Umsetzung der Fälschungsrichtlinie von Securpharm organisiert, einem Zusammenschluss von ABDA, Phagro und den Herstellerverbänden BPI, BAH und VFA. Bereits vor Veröffentlichung des delegierten Rechtsakts hatten sich die Beteiligten darauf vorbereitet – und sehen sich nun bestätigt: „Nach einer ersten Durchsicht sehen wir Securpharm gut vorbereitet und auf dem richtigen Weg, die Fälschungsschutzrichtlinie umzusetzen“, so Dr. Reinhard Hoferichter, Sprecher des Securpharm-Vorstands.

Der delegierte Rechtsakt regelt die Detail der Umsetzung. Er wird derzeit in die offiziellen EU-Sprachen übersetzt und muss anschließend von Ministerrat und EU-Parlament abgesegnet werden. Es wird damit gerechnet, dass die Regelungen im ersten Quartal 2016 veröffentlicht werden und damit in Kraft treten. Von da an haben die Mitgliedstaaten drei Jahre Zeit, die Vorgaben umzusetzen. Eine längere Frist von insgesamt neun Jahren erhalten die Länder, die bereits eigene Systeme haben und diese anpassen müssen.

Das Ziel der Fälschungsrichtlinie ist es, dass jede Packung beim Verlassen der Produktion einen individuellen Code erhält und somit identifizierbar wird. Dieser sogenannte „Unique Identifier“ enthält verschiedene Informationen: Produktcode, Seriennummer, gegebenenfalls eine nationale Kennzeichnung, die Chargennummer und das Haltbarkeitsdatum.

In dem Produktcode sollen der Name des Präparats, die Darreichungsform, die Wirkstärke, die Packungsgröße und die Verpackungsart verschlüsselt sein. Die Seriennummer soll eine maximal 20-stellige Folge aus Zahlen und/oder Buchstaben sein, die zufällig erstellt wird. Die Möglichkeit, dass die Nummer erraten werden kann, soll vernachlässigbar gering sein und bei weniger als einem Fall von 10.000 liegen.

Dieser „Unique Identifier“ wird in einem Data-Matrix-Code auf der Packung verschlüsselt und in nationalen Datenbanken sowie zentral bei einem europäischen Hub hinterlegt. Die Hersteller müssen sicherstellen, dass der spezifische Code, der sich aus Produktcode und Seriennummer ergibt, einmalig bleibt – und zwar für mindestens fünf Jahre oder bis zu einem Jahr nach Ablauf des Haltbarkeitsdatums. Entscheidend ist dabei das spätere Datum.

Die Hersteller aktivieren die Codes, bevor sie die Packungen auf den Markt bringen, und melden sie entweder an den europäischen Hub oder nationale oder supranationale Datenbanken. In Deutschland wird diese Datenbank von dem Unternehmen ACS PharmaProtect organisiert, das von den Herstellerverbänden BAH, BPI und VFA betrieben wird. Mit der Umsetzung ist der Dienstleister Arvato betraut.

Der Code kann jederzeit eingescannt werden. Auf diese Weise können Großhändler und Apotheker prüfen, ob die Packungen sicher sind. Großhändler sollen beispielsweise Packungen kontrollieren, die von Apotheken oder anderen Großhändlern retourniert wurden.

Wird ein Arzneimittel an einen Patienten abgegeben, wird der Code eingescannt und die Packung aus dem System abgemeldet. In öffentlichen Apotheken geschieht dies am HV-Tisch. Der Abgleich mit den Datenbanken soll in der Regel innerhalb von 300 Millisekunden erfolgen, so die Vorgabe der EU-Kommission. Ist die Nummer in der Datenbank nicht verfügbar oder wurde sie als zurückgerufen oder gestohlen gemeldet, erhält der Apotheker einen entsprechenden Hinweis und gibt diese Information an die zuständigen Behörden weiter.

In Deutschland melden die Apotheken die Abgabe nicht direkt an die nationale Datenbank der Hersteller, sondern an eine zweite Datenbank der Werbe- und Vertriebsgesellschaft Deutscher Apotheker (WuV). Da die Daten an die ABDA-Tochter übermittelt werden, erfahren die Hersteller nicht, welche Apotheke wann welches Präparat abgegeben hat.

Hat eine Apotheke eine Packung einmal abgemeldet, kann sie sie nicht erneut in dem System anmelden. Denn die Austragung kann nur unter bestimmten Voraussetzungen rückgängig gemacht werden. Eine davon ist, dass die Packung nicht an einen Patienten abgegeben wurde. Apotheken müssen vor der Abmeldung also sicher sein, dass der Patient das Arzneimittel tatsächlich mitnimmt.

Der delegierte Rechtsakt sieht aber auch Ausnahmen vor, etwa für Krankenhausapotheken. Dort können die Arzneimittel zu jedem Zeitpunkt abgemeldet werden – also entweder direkt nach Wareneingang oder kurz vor der Abgabe an den Patienten. Die Mitgliedstaaten können außerdem Ausnahmen für Tierärzte, Zahnärzte, Optiker, Rettungssanitäter, Universitäten, Gefängnisse, Schulen, Hospize oder Pflegeheime festlegen, die direkt von Großhändler beliefert werden. In diesem Fall würden die Lieferanten die Packungen aus dem System abmelden.

Der delegierte Rechtsakt sieht auch einen Plan B vor, falls der automatische Check einmal nicht funktioniert: Apotheken sollen den „Unique Identifier“ in diesem Fall erfassen und später mit der Datenbank abgleichen. Und falls es nur an der Apothekensoftware und nicht am Internet scheitert, sollen Apotheken die Codes auch direkt bei der nationalen Datenbank austragen können.

Um Technikausfällen zuvorzukommen, sollen der Produktcode und die Seriennummer, sowie gegebenenfalls der Ländercode, auch in Klarschrift auf der Packung stehen, sodass sie ohne technische Hilfsmittel lesbar sind. Die Hersteller hatten befürchtet, dass kleinere Packungen dadurch größer werden müssten. Die EU-Kommission ist ihnen jedoch entgegengekommen und hat eine Ausnahmeregelung getroffen: Packungen, deren beiden längsten Seiten zusammengenommen maximal zehn Zentimeter lang sind, brauchen keinen Code in Klarschrift.

Die neuen Vorgaben gelten für alle verschreibungspflichtigen Arzneimittel, mit Ausnahme der auf der „White List“ aufgeführten: Das sind derzeit 14 Produktkategorien, darunter etwa Homöopathika, Allergenextrakte, Kontrastmittel und Lösungen für die parenterale Ernährung.

OTC-Arzneimittel dürfen die festgelegten Sicherheitsmerkmale nicht tragen. Davon ausgenommen sind Präparate, die auf der „Black List“ stehen. Bislang wird dort lediglich Omeprazol aufgeführt – wegen des Fälschungsskandals aus dem vorvergangenen Jahr.