Erstsemester würden liberalisieren Benjamin Rohrer, 29.10.2011 10:06 Uhr
Selektivverträge für Apotheken, die Streichung der Apothekenpflicht für bestimmte OTC-Präparate sowie die Abschaffung des Fremdbesitzverbotes: So lauten die Reformvorschläge von Studenten der Lüneburger Leuphana Universität, die in einem studiengangübergreifenden Wettbewerb ihre Vision des öffentlichen Gesundheitswesens erarbeiten sollten. Die Siegergruppe darf ihre Ideen nun der EU-Kommission vortragen.
Jedes Jahr müssen die rund 1800 Erstsemester der Uni in mehreren Gruppen Lösungsansätze zu einer komplexen Fragestellung erarbeiten. Basierend auf einem fiktiven Grundsatzurteil des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) mussten die Studenten in diesem Jahr das Gesundheitssystem reformieren. Die Gruppen wurden thematisch aufgeteilt und erhielten in den ersten Tagen Unterstützung von wirklichen „Playern“ des Gesundheitswesens. Als einer der Repräsentanten des Apothekenmarktes war ein DocMorris-Vertreter geladen.
Die 420-köpfige Siegergruppe sprach sich für weit reichende Reformen in der Arzneimittelversorgung aus: Basierend auf dem Beispiel Dänemark, wo seit 2001 eine Reihe von OTC-Präparaten in Supermärkten und Tankstellen verkauft werden dürfen, schlugen die Studenten vor, einige nicht-verschreibungspflichtige Arzneimittel aus der Apothekenpflicht zu entlassen. Dies solle allerdings stufenweise passieren: „Den Apothekern soll Zeit gegeben werden, sich darauf einzustellen“, so ein Sprecher der Studenten. Zunächst könnten beispielsweise Schmerzmittel oder Nikotinpräparate frei gegeben werden, um nach sechs bis zwölf Monaten „die nächste Welle“ auszugliedern. Als sinnvolle Abgabestellen kämmen beispielsweise Drogerien oder große Supermärkte in Frage.
Um die Einsparungen im Arzneimittelbereich zu erhöhen, wurde vorgeschlagen, dass Krankenkassen Selektivverträge mit einzelnen Apotheken abschließen. „So könnten zum Beispiel Barmer-Patienten in ihrer Apotheke vor Ort weitere 5 Prozent Rabatt bekommen“, so der Studentensprecher. Es sei auch über die Beteiligung von Großhändlern an Apotheken diskutiert worden. „Wenn Service und Vertrieb aus einer Hand kommen, könnten sich weitere Einsparpotentiale ergeben.“ Dieser Vorschlag wurde jedoch nicht ins Endkonzept aufgenommen. Übereinstimmung gab es jedoch beim Thema Packungsgrößen: Der Pharmaindustrie müssten gezielte Anreize für die Produktion kleinerer Packungen gegeben werden. Damit soll der Arzneimittelmüll reduziert werden.
Für die Prominenz des wirklichen Gesundheitswesens sind die Ideen der Studenten durchaus ernst zu nehmen: „Ergebnis dieses Engagements sind etliche neue und sehr bemerkenswerte Vorschläge zur Reform unseres Gesundheitswesens. Man muss nicht alle Vorschläge befürworten, aber sicher alle diskutieren“, sagte Thomas Ilka, Staatssekretär im Bundesgesundheitsministerium.
Die Studenten freuen sich nun auf ihren Termin bei der EU-Kommission. Zwar erwarte man, dass nur „einige Vertreter“ sich Zeit nehmen. Es sei aber eine „gute Chance“, seine Ideen in Brüssel vorzutragen.