Monopolkommission

Erst Rx-Boni, dann Buchpreisbindung knacken

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Berlin -

Die Monopolkommission fordert im 80. Sondergutachten die Bundesregierung auf, die Buchpreisbindung in Deutschland abzuschaffen. Als Vorbild und und Anlass für diese Forderung dient der Monopolkommission ausgerechnet das EuGH-Urteil vom 19. Oktober 2016 zur Freigabe von Rx-Boni für ausländische Versandapotheken. Dieses habe die „Unvereinbarkeit der deutschen Arzneimittelpreisbindung mit der europäischen Warenverkehrsfreiheit festgestellt“.

Die Buchpreisbindung dient einem im Grundsatz anzuerkennenden kulturpolitischen Ziel, schreibt die Monopolkommission. Nach EU-Recht handele es sich beim Schutz des Kulturguts Buch um ein zwingendes Erfordernis des Allgemeininteresses. „Dennoch bestehen aus wettbewerbsökonomischer und -rechtlicher Sicht erhebliche Bedenken gegen die Buchpreisbindung als einem Instrument zu diesem Schutz“, so die Monopolkommission unter Leitung von Professor Dr. Armin Wambach.

Die Monopolkommission kommt zu dem Schluss, dass die Buchpreisbindung aus ökonomischer Sicht „ambivalente und zum Teil unklare Wirkungen“ entfaltet. So stärke die Buchpreisbindung den Nebenleistungswettbewerb und verhindere den Servicewettbewerb. „Sie verlangsamt den Strukturwandel zulasten des stationären Buchhandels, die Zunahme der Buchhandelskonzentration sowie das Entstehen nachfragemächtiger Buchhändler“, so die Kommission.

Dagegen könne ein freier Preiswettbewerb zur Entstehung und Ausbreitung effizienter Handelsstrukturen und Vertriebskonzepte beitragen. Dieser unterstütze die Entstehung alternativer Vertriebskonzepte und die Erschließung neuer Kundengruppen. Weiterhin sorge er dafür, dass Kostenvorteile in Form niedrigerer Endkundenpreise weitergegeben werden und senke die Markteintrittsbarrieren auf Handelsseite.

Mit Blick auf die vom Gesetzgeber verfolgten Ziele lasse sich kein eindeutiger Wirkungszusammenhang mit der Buchpreisbindung ausmachen. Das gelte insbesondere hinsichtlich des durchschnittlichen Preisniveaus: „So stehen höheren Preisen bei Massentiteln unklare, gegebenenfalls preissenkende Effekte bei weniger nachfragestarken Titeln gegenüber.“ Ebenso sei der Zusammenhang zwischen der Buchpreisbindung, der Bevorratungsbereitschaft und der Titelvielfalt im Buchhandel unklar. Schließlich seien auch die Auswirkungen der Buchpreisbindung auf die Ertragslage der Verlage und die Vielfalt publizierter Titel nicht eindeutig. „Aus diesen Gründen lässt sich keine eindeutige abschließende Aussage über die Wirkung der Buchpreisbindung treffen“, so die Monopolkommission.

Trotz Buchpreisbindung verliere der stationäre Buchhandel kontinuierlich Marktanteile zugunsten des Onlinebuchhandels. Andererseits stelle sich zunehmend die Frage, ob die von der Buchpreisbindung möglicherweise geschützte Infrastruktur noch die ihr zugesprochene Rolle spiele: „Aufgrund der Digitalisierung und der wachsenden Internetaffinität der Konsumenten nimmt die Bedeutung des traditionellen Buchhandels und des von ihm erbrachten buchhändlerischen Services kontinuierlich ab.“

Das kulturpolitische Interesse des nationalen Gesetzgebers an Büchern sei aus rechtlicher Sicht gegen das Interesse am unverfälschten Wettbewerb abzuwägen. Der Schutz des Wettbewerbs erfolge innerhalb des europäischen Binnenmarktes durch das EU-Recht. „Die nationalen Vorschriften zur Buchpreisbindung greifen erheblich in die Grundfreiheiten grenzüberschreitend tätiger Marktteilnehmer ein und stellen zudem einen schwerwiegenden Markteingriff dar. Nach Maßgabe des EU-Rechts wären objektive Belege dafür erforderlich, dass die Buchpreisbindung zugleich einen kulturpolitischen Mehrwert generiert, der den mit ihr verbundenen Markteingriff rechtfertigt. So ähnlich hatte der EuGH auch im Rx-Boni-Urteil argumentiert. Anhand der verfügbaren Informationen sei fraglich, ob sich solche Belege beibringen ließen.

Es sei nicht auszuschließen und im Hinblick auf E-Books sogar wahrscheinlich, dass der EuGH in einem Verfahren die gesetzlich vorgeschriebene Buchpreisbindung für mit der europäischen Warenverkehrsfreiheit oder auch für mit dem unionsrechtlichen Loyalitätsgrundsatz in Verbindung mit den EU-Wettbewerbsregeln unvereinbar erklären werde. Diese Einschätzung beruhe „nicht nur auf der Entwicklung der jüngeren EU-Rechtsprechung zu Preisbindungen“, sondern auch auf den Marktveränderungen, die sich seit Inkrafttreten des Gesetzes ergeben hätten. „Hinsichtlich der Neuregelungen, die im vergangenen Jahr zur Erstreckung der Buchpreisbindung auf E-Books und bestimmte grenzüberschreitende Sachverhalte vorgenommen wurden, ist die Wahrscheinlichkeit, dass der EuGH im Falle einer gerichtlichen Überprüfung die Verletzung von EU-Recht bejahen wird, noch einmal deutlich erhöht“, so die Monopolkommission.

Komme es zu einer solchen Entscheidung, könnten grenzüberschreitend tätige Unternehmen sich einen Wettbewerbsvorteil gegenüber dem – weiter preisgebundenen – inländischen stationären Buchhandel verschaffen, indem sie gedruckte Bücher oder E-Books vom Ausland aus mit Preisnachlässen an deutsche Letztabnehmer versendeten. „Das Verhalten der Marktteilnehmer nach dem Urteil des EuGH zur Arzneimittelpreisbindung hat gezeigt, dass eine solche Möglichkeit wahrscheinlich über kurz oder lang genutzt würde“, so die Kommission.

Aus der Sicht der Monopolkommission handelt es sich bei der Buchpreisbindung daher um einen „schwerwiegenden Markteingriff“, dem ein nicht klar definiertes kulturelles Schutzziel „Kulturgut Buch“ gegenüberstehe: „Aus diesen Gründen spricht sich die Monopolkommission für eine Abschaffung der Buchpreisbindung aus.“

Im politischen Streit um ein Rx-Versandverbot als Antwort auf das EuGH-Urteil hatte die Monopolkommission sich klar dagegen ausgesprochen: Deren Vorsitzender, Wambach, empfahl der früheren Bundeswirtschaftsministerin Brigitte Zypries (SPD), den entsprechenden Gesetzentwurf von Ex-Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) abzulehnen: „Das haben wir schon an anderer Stelle getan“, sagte Wambach. Ein Rx-Versandverbot sei „definitiv die falsche Antwort“, unterstrich auch Professor Dr. Jürgen Kühling, ebenfalls Mitglied der Monopolkommission: „Ich warne dringend davor.“

Ein Rx-Versandverbot sei weder „zielführend“ noch ändere es etwas an der Sicherheit der Arzneimittelversorgung auf dem Land. „Wenn es auf dem Dorf keine Apotheke mehr gibt, nutzt der Oma auch kein Versandverbot etwas“, so Kühling. Die Monopolkommission habe ihre Skepsis mehrfach zum Ausdruck gebracht. Ein Verbot werde auch europarechtlich keinen Bestand haben. „Wir sind da sehr skeptisch“, sagte Kühling.

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