Die Ersatzkassen fordern striktere Regeln für die Einführung hochpreisiger Arzneimittel. Vor allem neuartige Krebstherapien würden das Solidarsystem über Gebühr belasten – bei gleichzeitig hohen Risiken und unbekanntem Langzeitnutzen. Gemeinsam mit weiteren Verbänden fordern sie deshalb neue Regeln für die Erstzulassung neuartiger Krebstherapien und eine von den Herstellern unabhängige Entwicklung und Produktion.
Mindestens 275.000 Euro kostet eine moderne CAR-T-Zelltherapie laut dem Verband der Ersatzkassen (vdek) pro Patient – Behandlungskosten nicht inbegriffen. Dabei kämen die beiden CAR-T-Zelltherapien, die Ende 2018 zugelassen wurden, für gerade einmal rund 1400 Patienten in Deutschland infrage.
Bei den beiden Therapien handelt es sich um Kymriah (Tisagenlecleucel, Novartis) für die Behandlung der die B-Zellen betreffenden akuten lymphatischen Leukämie (ALL) bei Kindern und jungen Erwachsenen sowie des diffusen großzelligen B-Zell-Lymphoms (DLBCL) bei Erwachsenen und um Yescarta (Axicabtagen Ciloleucel, Gilead) für die hämatologische Krebsbehandlung von Erwachsenen mit rezidiviertem oder refraktärem großzelligem B-Zell-Lymphom nach zwei oder mehr systemischen Therapieansätzen einschließlich des DLBCL, Patienten mit primärem mediastinalem großzelligem B-Zell-Lymphom (PMBCL) sowie Patienten mit hochgradigem B-Zell-Lymphom und DLBCL aus einem follikulären Lymphom erhalten. Yescarta ist eine individuell auf den einzelnen Patienten maßgeschneiderte Therapie, für die die T-Zellen des Patienten zunächst gesammelt und anschließend mittels Gentechnik so modifiziert werden, das diese ein neues Gen enthalten, das Lymphomzellen angreift und tötet.
„Die Ersatzkassen wollen diesen schwerkranken Versicherten die erhofften Innovationen rasch zugänglich machen, sie wollen aber auch, dass dies kontrolliert passiert“, erklärt die vdek-Vorstandsvorsitzende Ulrike Elsner. „Nutzen und Qualität müssen im Vordergrund stehen, keine Gewinninteressen von Pharmaherstellern.“ Gemeinsam mit dem Verband der Universitätsklinika (VUD) und der Deutschen Krebsgesellschaft (DKG) und der Deutschen Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie (DGHO) hat der vdek deshalb Forderungen aufgestellt, wie eine solche kontrollierte Einführung aussehen solle.
Im Zentrum steht dabei die Forderung nach einigen wenigen Innovationszentren, die in der Regel an Unikliniken angeschlossen sein sollen. Dort sollen die neuen Behandlungsverfahren mit hohen Qualitätsstandards – die Verbände vom Gemeinsamen Bundesausschuss festlegen lassen wollen – erprobt werden. „Erst wenn das Verfahren evaluiert und der Nutzen nachgewiesen ist, sollte die Behandlungsmethode in der Regelversorgung zugelassen und von den Krankenkassen regelhaft finanziert werden“, so die Verbände.
„Ob sich die CAR-T-Zelltherapie im Versorgungsalltag als effizient und sicher erweist, muss sich erst noch zeigen“, so Dr. Johannes Bruns, Generalsekretär der Deutschen Krebsgesellschaft. Das Wissen über Wirksamkeit und Sicherheit des neuen Verfahrens sei zum Zeitpunkt der Zulassung begrenzt. In den Innovationszentren könne demnach mehr Sicherheit zur Anwendung geschaffen werden. Außerdem fordern die beteiligten Verbände, dass die Standards bei der Erstzulassung der neuen Medikamente als Orphan Drugs im beschleunigten Verfahren durch die Europäische Arzneimittelbehörde EMA nicht abgesenkt werden dürften. „Auch an die behandelnden Einrichtungen müssen hohe Qualitäts- und Strukturanforderungen gestellt werden“, so Prof. Dr. Bernhard Wörmann, Medizinischer Leiter der DGHO.
Um die Kosten für neuartige Krebstherapien zu senken, wollen die Verbände der Industrie Konkurrenz machen: Der „exorbitanten Preisentwicklung“ könne man demnach Einhalt gebieten, indem die Erforschung und Entwicklung neuer Gen- und komplexer Zelltherapieverfahren an besagten Innovationszentren ansiedelt. „Ziel ist es, dass Zentren rechtssicher und wirtschaftlich tragbar „Eigenherstellung“ betreiben können“, erklärt VUD-Generalsekretär Ralf Heyder. „Denn wir wollen uns bei diesen Innovationen nicht völlig abhängig von der Industrie machen.“ Die Förderung der Eigenherstellung dieser Arzneimittel, so schreibt die Verbändekoalition, sei „eine Möglichkeit, der Preispolitik der Pharmaindustrie Grenzen aufzuzeigen“.
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