Der Zusatzbeitrag für die gesetzlich Krankenversicherten ist im Wahljahr stabil. Doch wie wird er sich danach weiterentwickeln? Das wird unterschiedlich eingeschätzt.
Trotz des Finanzpolsters der Krankenkassen rechnet der Chef des Ersatzkassenverbands VDEK, Uwe Klemens, mit einer möglichen Mehrbelastung für die Versicherten nach dem Bundestagswahljahr: „Ich gehe von einem Zusatzbeitrag von 1,8 bis 2 Prozent in den nächsten drei Jahren aus.“ Klemens: „Wir haben ungefähr vier bis fünf Milliarden Euro Zusatzkosten pro Jahr, die durch die Umsetzung des Koalitionsvertrages jetzt schon zum Tragen kommen.“ Als Beispiele nannte er die Gesetze zur Pflegestärkung, Veränderungen in der Arzneimittelversorgung und das Krankenhausstrukturgesetz.
Die Bundesregierung sieht das anders und verweist auf das Geldpolster. „Die Krankenkassen haben Finanzreserven von 16 Milliarden Euro momentan“, sagte eine Sprecherin des Bundesgesundheitsministeriums (BMG). Das seien gute Reserven, die es auch ermöglichten, die Versicherten daran teilhaben zu lassen. Die Entwicklung des Zusatzbeitrags werde im Oktober vom sogenannten Schätzerkreis ermittelt. „Dann sind seriöse Aussagen für das nächste Jahr möglich.“
Der allgemeine Beitragssatz von 14,6 Prozent, der gesetzlich fixiert ist, wird je zur Hälfte von Arbeitgebern und Arbeitnehmern getragen. Dazu kommt der Zusatzbeitragssatz. Ihn zahlen allein die rund 55 Millionen Kassenmitglieder. Im Bundestagswahljahr soll er nach einer Schätzung von Oktober 2016 im Schnitt bei 1,1 Prozent stabil bleiben. Die KKH hob ihren Zusatzbeitrag zum 1. April um 0,3 Prozentpunkte auf 1,5 Prozent an. Zum 1. Januar hatten bereits 27 meist kleinere Kassen ihre Zusatzbeiträge erhöht.
Der GKV-Spitzenverband geht vorerst nicht von einer Änderung aus. „Für das laufende Jahr erwartet der Schätzerkreis im Durchschnitt einen stabilen Zusatzbeitrag, was insgesamt auch wahrscheinlich ist“, teilte ein Sprecher mit. „Wenn im Sommer die endgültigen Finanzergebnisse für 2016 vorliegen und die Zahlen für das erste Quartal 2017, werden wir als GKV-Spitzenverband unsere Einschätzungen für die weitere Finanzentwicklung und damit auch für die Zusatzbeiträge konkretisieren.“
Im vergangenen Jahr hatten die Kassen ein Finanzplus von rund 1,4 Milliarden Euro eingefahren. Damit stieg das Geldpolster nach Angaben von Ende Februar auf 15,9 Milliarden Euro. Damals hieß es, mit diesem Finanzplus sinke die Wahrscheinlichkeit, dass die Zusatzbeiträge der Kassen im kommenden Jahr auf breiter Front steigen. Gesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) hatte den Kassen im Wahljahr zusätzliche 1,5 Milliarden Euro aus der Reserve des Gesundheitsfonds zukommen lassen.
Der AOK-Bundesverband sieht „keinen Grund zu übermäßiger Euphorie“. „Die Beiträge bleiben 2017 größtenteils stabil, die Rücklagensituation ist robust und die Ausgabentendenz moderat“, erklärte ein Sprecher. „Aber man muss auch kein Prophet sein, um vorherzusehen, dass sich das Blatt 2018 wendet. Dann schlägt die Ausgabenwucht der vielen teuren Gröhe-Reformen etwa in den Bereichen Krankenhaus, Arzneimittel oder Prävention voll durch.“ Der Gesundheitsminister habe sich zudem „die Ruhe im Wahljahr durch das Anzapfen der Liquiditätsreserve erkauft.“
Die Barmer blickt beim Zusatzbeitrag positiv in die Zukunft. Der durchschnittliche Beitragssatz gehe ab 2018 im Schnitt um etwa 0,2 Punkte pro Jahr nach oben, wenn die Politik nicht gegensteuere.
Maßgeblich dafür sei unter anderem der medizinische Fortschritt. „Hinzu kommt, dass die große Koalition eine Reihe von Gesetzen wie die Krankenhausreform beschlossen hat, die in den kommenden Jahren die Ausgaben für die gesetzliche Krankenversicherung beträchtlich ansteigen lassen.“
Der Linke-Vorsitzende Bernd Riexinger verlangte die Rückkehr zur paritätischen Krankenkassenfinanzierung – also ohne Mehrbelastung für Versicherte. „In Deutschland gibt es längst eine Zwei-Klassen-Medizin. Die Herkunft und der Geldbeutel haben massiven Einfluss auf die Gesundheit“, sagte er der Abendzeitung München. Die Zusatzbeiträge müssten in gleichen Teilen vom Arbeitgeber mitfinanziert werden.
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