Eine jährliche Überprüfung des Fixhonorars, eine bessere Vergütung von Rezepturen, Notdiensten und der Abgabe von BtM sowie eine Entschädigung für die Inkasso-Leistung der Apotheken: Fritz Becker, Vorsitzender des Deutschen Apothekerverbands (DAV), hat zur Eröffnung der Expopharm in München die Forderungen der Apotheker erneut aufs Tableau gebracht.
Becker kritisiert, dass die erste Honorarerhöhung nach fast zehn Jahren „eine absolute Zumutung“ gewesen sei. „Eine unverzügliche nächste Erhöhung des Apothekenhonorars ist daher die einzige logische Konsequenz“, fordert Becker. Neben einer regelmäßigen, jährlichen Überprüfung sei eine Überarbeitung der Rechenmethode notwendig: Dass der Apothekeninhaber die steigenden Kosten selbst finanzieren müsse, sei leistungsfeindlich und werde entschieden abgelehnt.
Auch in den Bereichen der Rezeptur- und BtM-Entlohnung fordert Becker Nachbesserungen. Der seit 1974 geltende Zuschlag von 26 Cent bei dokumentationspflichtigen Arzneimitteln decke nicht einmal die Sondergebühren, die der Apotheke vom Lieferanten in Rechnung gestellt würden. „Dieses Missverhältnis muss dringend korrigiert werden“, so Becker.
Durch ihre Inkasso-Leistungen ermöglichen die Apotheker den Kassen Becker zufolge Einsparungen in Höhe von mehr als einer Milliarde Euro. Dies dürfe keine Gratis-Leistung der Apotheker bleiben. „Ein Disagio in Höhe von 5 Prozent des von der Apotheke beim Hersteller einzuholenden Abschlags als Honorierung dieser Leistung erscheint uns absolut angemessen“, erklärt Becker. Dies entspreche der Handhabung in anderen Bereichen, etwa bei der Mitteleintreibung durch Finanzämter.Becker forderte außerdem erneut, den Zuschlag für den Nacht- und Notdienstfonds von 16 auf 20 Cent zu erhöhen, um die zugesagten 120 Millionen Euro im Jahr zu erreichen. Der DAV-Chef rief außerdem die Politik dazu auf, die Fähigkeiten der Apotheker endlich umfassend zu nutzen. Als Beispiel nannte er das Präventionsgesetz. Aus Beckers Sicht könnten Apotheker etwa Impf-Checks durchführen und damit dazu beitragen, die Impflücke im jüngeren und mittleren Erwachsenenalter abzubauen. Apotheker sollten außerdem stärker in Versorgungsverträge eingebunden werden, so Becker mit Blick auf den Diabetes-Vertrag mit der Techniker Krankenkasse (TK).
Positiv bewertete Becker die Einigung zwischen DAV und GKV-Spitzenverband zur Festschreibung des Kassenabschlags. In einem anderen Punkt sei eine vertragspartnerschaftliche Lösung hingegen nicht möglich: Beim Thema Nullretaxationen sei man gezwungen gewesen, an die Politik heranzutreten. Dabei gehe es explizit um Rechnungskürzungen aufgrund von Formfehlern und nicht um die nicht begründete Nicht-Abgabe von Rabattarzneimitteln. „Zwar stehen wir einem unseres Erachtens überzogenen Einsatz des Instrumentariums Rabattverträge weiterhin skeptisch gegenüber, doch ein Kampf an eben dieser Stelle erscheint derzeit wenig zielführend und würde unnötige Fronten schaffen“, so Becker.
Er berichtete mit Blick auf Nullretaxationen von einem Fall, bei dem ein Apotheker retaxiert wurde, weil der Patient noch Beitragsrückstände bei seiner Kasse hatte. „Das schlägt dem Fass wirklich den Boden aus“, kritisiert Becker. Ganz offensichtlich fehle dem einen oder anderen Kassenvertreter neben sachlichen Kenntnissen auch das nötige Einfühlungsvermögen.
Auch in Sachen Rabattverträge und Importe ist aus Beckers Sicht ein Eingreifen der Politik nötig. Man brauche dringend eine Klarstellung des Bundesgesundheitsministeriums (BMG) hinsichtlich der Frage der Vorrangstellung von Rabattverträgen bei Verordnungen von Parallel- und Reimporten. Solange es keine solche Klarstellung gebe, seien weitere Retaxationen nicht ausgeschlossen. In diesem Zusammenhang kritisierte Becker auch die Importquote – „hier besteht ganz klar Handlungsbedarf“.
Zytostatika-Ausschreibungen hält Becker für „absolut inakzeptabel“. Apotheken dürfe nicht die Lieferberechtigung abgesprochen werden – denn damit werde ein wesentliches Fundament des gesamten Systems in Frage gestellt: die freie Wahl der Apotheke. Eine Anpassung der Hilfstaxe sei mit Blick auf solche Verträge unumgänglich gewesen. „Die Krankenkassen dürfen keine Vorteile mehr darin sehen, Ausschreibungen vorzunehmen“, so Becker. Er fordert aber auch von der Politik, Ausschreibungen bei der Zytostatika-Versorgung zu verbieten.
Becker kritisierte außerdem auch die Äußerungen des Patientenbeauftragten der Bundesregierung, Karl-Josef Laumann, zur Absenkung der Erstattungspreise im Juli. Verantwortlich seien nicht die Apotheker, sondern die Kassen. Natürlich müssten Apotheker beraten – aber es bereite keine Freude, dann zu hören, man solle doch bitte durch intensive Kommunikation mit dem Patienten wieder einmal ausbaden, was andere versäumt und verbockt haben. In Richtung der Kassen erklärte Becker: „Auch Krankenkassen sollten den Mut haben, in den Spiegel zu schauen und zu eigenen unpopulären Entscheidungen stehen.“
Mit Blick auf die Empfehlungen des Sachverständigenausschusses zur Apothekenpflicht rief Becker zum Schulterschluss auf. Die Risiken verschreibungsfreier Präparate dürften nicht ignoriert werden. „Der Beratung durch den Apotheker kommt in der Selbstmedikation mehr denn je immense Bedeutung zu“, so Becker.
Der DAV-Chef lobte schließlich das Online-Vertragsportal des DAV, das den Aufwand für Apotheker reduziere. Die Umsetzung gestalte sich zwar schwieriger und komplizierter als gedacht. Hier gelte: „Gute Dinge brauchen eben ihre Zeit.“
Zum Abschluss zog Becker einen Vergleich mit der deutschen Fußball-Nationalmannschaft: Während der Weltmeisterschaft habe es so viele Trainer wie Zuschauer gegeben, letzten Endes sei es aber das Team um Joachim Löw gewesen, das die Mannschaft zum Erfolg geführt habe. „Und so nehmen auch wir als Team des DAV die Kommentare in den virtuellen Foren zwar zur Kenntnis, werden aber stets dem Erfolg des Berufsstandes und der öffentlichen Apotheke verpflichtet bleiben – und nicht der Zahl der Like-Klicks.“
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