„Erklärbär“: Lauterbach vor Narrengericht Laura Schulz, 09.02.2024 10:23 Uhr
Ein Bundesgesundheitsminister, der auf der Bühne steht und mit Witzen unterhält: In Stockach musste Lauterbach vor das Narrengericht. Sprüche auf Kosten von Koalitionskollegen kamen besonders gut an.
Ist er einfach nur ein Wissenschaftler im Amt, wie er sagt, oder der „Erklärbär der Nation“? Vom Stockacher Narrengericht gab es für Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach am Donnerstagabend den „Erklärbär“-Titel zusammen mit dem passenden Stofftier.
Der SPD-Politiker musste sich als Beklagter vor dem „Hohen Grobgünstigen Narrengericht“ verantworten. Die Vorwürfe des närrischen Klägers hatten es in sich: Hochstapelei, Mediengeilheit und Alarmismus während der Corona-Pandemie: „Die Sensenmann-Aura ist bei ihm Programm.“
Mit makaberen Witzen und bissigen Sprüchen in Richtung Ampel-Koalition trat Lauterbach den Fastnachts-Richtern und seinem Kläger selbstbewusst entgegen. „Das Einzige, was wir in der Ampel hochstapeln, sind ungelöste Probleme.“ Aber dafür müsse nicht er angeklagt werden, „sondern der Oppositionsführer in der Regierung: also Christian Lindner“.
Man habe ihm übrigens explizit davon abgeraten, nach Stockach (Kreis Konstanz) zu kommen, sagte der 60-Jährige in seiner Verteidigungsrede. „Ich würde eine Talkshow bei Markus Lanz verpassen.“ Das Problem habe er lösen können: Lauterbach war dann tatsächlich noch am selben Abend in Lanz' ZDF-Talkshow zu Gast – die Aufnahme sei bereits am Vortag erfolgt. Der Vorwurf, er sei zu oft im Fernsehen, sei grotesk, entgegnete der Minister dennoch – gerade für ein solches Gericht, das ungerechte Anklagen vor laufender Kamera vortrage.
Alte Fastnacht-Tradition
Das mehr als 600 Jahre alte Stockacher Narrengericht gehört zu den Höhepunkten der schwäbisch-alemannischen Fastnacht im Südwesten. Auf der Anklagebank der Institution saßen bereits Franz Josef Strauß (CSU), Guido Westerwelle (FDP) und Angela Merkel (CDU).
FDP-Vize Wolfgang Kubicki, der im vergangenen Jahr als Beklagter auf der närrischen Anklagebank saß, habe ihn gewarnt, die Ladung könne teuer werden, berichtete Lauterbach. „Er habe Sekt und Austern spenden müssen. Seine Vorräte seien zur Neige gegangen, er habe mehrere Wochen nicht arbeiten können“, sagte der Minister über seinen Ampel-Kollegen. Doch im Gegensatz zu Kubicki sei er unschuldig.
Viel könne man aber von einem Gericht nicht erwarten, das die Elite-Uni Harvard für eine Rebsorte halte. Die Vorwürfe seien allesamt unverschämt und unbegründet. Sie seien nur zu erklären mit dem Neid des Klägers. „Was kann ich denn dafür, dass ich mehr akademische Abschlüsse habe als das gesamte Gericht.“
Sprüche gegen Scholz & Co.
An viele Ratschläge, die er etwa als Epidemiologe oder Politiker gegeben habe, könne er sich gar nicht mehr erinnern. Aber diese Erinnerungslücken könne ihm keiner vorwerfen: „Das ist geradezu eine Voraussetzung für die Mitgliedschaft im Kabinett Scholz.“
Beim Publikum kamen die Sprüche des Gesundheitsministers gut an. Gnade zeigte das Gericht trotzdem nicht. Narrenrichter Jürgen Koterzyna befand Lauterbach in allen Anklagepunkten für schuldig. Entsprechend hoch fiel die Strafe aus.
Lauterbach wurde zu 240 Litern Strafwein und 240 Litern Mineralwasser verurteilt. „Aber bitte nicht als Schorle“. Sein Vorgänger Jens Spahn soll ihm beim Begleichen der Strafe finanziell unter die Arme greifen. Ein Drittel der Kosten sollten auf das Konto des CDU-Politikers gehen, ordneten die Narren an.
Außerdem soll Lauterbach wiederkommen. Im Sommer soll der Mediziner Schoko-Eis an Patienten und Pflegekräfte des örtlichen Krankenhauses verteilen und zehn neue Mitglieder für den Krankenhausförderverein gewinnen.