E-Rezept: Koalition streicht Recht auf Datenlöschung Lothar Klein, 05.11.2019 14:33 Uhr
Vor der Beratung des Digitale-Versorgungs-Gesetzes (DVG) im Gesundheitsausschuss des Bundestags hat die Koalition einen Rückzieher gemacht: Eigentlich sollten Patienten das Recht erhalten, ihre Verordnungsdaten wieder zu löschen. Dieser Änderungsantrag wurde von der Liste gestrichen. Verzichten wird die Koalition auch auf den Änderungsantrag, der den Kreis der Zugriffsberechtigten auf das E-Rezept bestimmen sollte.
Allerdings bliebt es dabei, dass der Zugriff auf das E-Rezept auch ohne elektronische Gesundheitskarte (eGK) möglich sein soll, „um ärztliche Verordnungen auch ohne vorhergehenden persönlichen Arzt-Patientenkontakt, zum Beispiel im Rahmen einer ausschließlichen medizinischen Fernbehandlung, zu ermöglichen“. Erweitert werden soll der Kreis der möglichen Verordnungen per E-Rezept. Neben Arzneimitteln können auch Heil- und Hilfsmittel per E-Rezept verordnet. Das war schon im DVG-Entwurf enthalten. Jetzt sollen auch „sonstige in der vertragsärztlichen Versorgung verordnungsfähigen Leistungen“ dazugehören – unter anderem somit die häusliche Krankenpflege.
Eingeführt werden soll das E-Rezept bundesweit im Jahr 2021. Bis Ende September 2020 müssen dazu alle Apotheken an die TI der Gematik angeschlossen sein. Die ABDA hatte auch eine Fristverlängerung von sechs Monaten gedrängt, weil die für den Anschluss notwendige Hard- und Software nicht in ausreichendem Umfang zur Verfügung stehe. Diesem Wunsch kommt die Koalition nicht nach. Mit den letzten Änderungen ist nun der Weg für die Verabschiedung des DVG im Bundestag frei. Morgen berät der Gesundheitsausschuss und am Donnerstag folgt die abschließende Lesung im Bundestag.
Derzeit entwickeln verschieden Anbieter E-Rezepte. Neben dem Modellprojekt Gerda in Baden-Württemberg geht in Kürze ein weiterer Testlauf der Apotheker in Berlin an den Start: Das Bundesgesundheitsministerium (BMG) fördert im Rahmen der Zukunftsregion Digitale Gesundheit (ZDG) ein Pilotprojekt des Berliner Apotheker-Vereins (BAV), das in Kooperation mit dem Deutschen Apothekerverband (DAV) umgesetzt wird.
Der DAV drängt die Politik weiterhin, seinem E-Rezept per Gesetz eine Monopolstellung einzuräumen. Verbieten will der DAV über seine Exklusiv-App dann außerdem Rx-Boni und Sonderangebote. „Nach der Vorstellung des DAV ist die Verwaltung des E-Rezepts durch den Patienten ein gesetzlich zu schützendes, individuelles Recht, das nicht, schon gar nicht durch rein monetäre Interessen, beeinflusst oder manipuliert werden darf“, heißt es auf der Internetseite zur DAV-App. Die neutrale, wettbewerbs- und diskriminierungsfreie Ausrichtung solle ermöglichen, „dass die offizielle App der deutschen Apothekerschaft zukünftig exklusiv die staatliche Aufgabe übertragen bekommt, für alle Patienten zur Entgegennahme, Ansicht und Übergabe von E-Rezepten zu fungieren“.
Mit dem Gesetz will Spahn den Weg frei machen für die Sammlung von Patientendaten in Deutschland. Daran entzündet sich Kritik, weil das Einverständnis der Bürger dafür nicht erforderlich ist. Dem DVG zufolge sollen die Daten – etwa Diagnosen, Behandlungen, Krankschreibungen, Alter, Geschlecht und Wohnort – von 73 Millionen gesetzlich Versicherten ohne Widerspruchsmöglichkeit und Löschfristen pseudonymisiert für die Forschung verwendet werden können. Kritiker sehen darin einen Verstoß gegen die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO). Darauf hat die Koalition reagiert und die Nutzung eines „Lieferpseudonyms“ bei der Datenübermittlung vorgeschrieben. Das Lieferpseudonym soll die Identifikationsnummer des Versicherten ersetzen.
Ärzte können künftig digitale Anwendungen verschreiben, etwa Tagebücher für Diabetiker oder Apps für Menschen mit Bluthochdruck. Damit Patienten die Apps schnell nutzen können, wird für die Hersteller ein zügiger Zulassungsweg geschaffen. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) prüft in einer ersten Stufe Sicherheit, Funktion, Qualität, Datenschutz und Datensicherheit der Produkte. Sie werden dann ein Jahr lang von der Krankenkasse erstattet. In dieser Zeit muss der Hersteller nachweisen, dass die App die Versorgung verbessert.