Die Gematik soll als staatliche Digitalagentur mit mehr Kompetenzen ausgestattet werden, so sieht es der Entwurf für das „Gesetz zur Schaffung einer Digitalagentur für Gesundheit“ (Gesundheits-Digitalagentur-Gesetz, GDAG) vor. Ziel sei es, die „Handlungsfähigkeit der Gematik insgesamt zu stärken“, heißt es im Papier. Das Aufgabenportfolio wird angepasst – „hierdurch entsteht eine schlagkräftige und zukunftsfähige Organisation“. Auch das E-Rezept soll dadurch stabiler laufen, in der Pflicht sind auch die Anbieter der Praxisverwaltungssysteme (PVS).
Die Gematik sei Schlüsselakteur für die Digitalisierung im Gesundheitswesen, so der Entwurf aus dem Bundesgesundheitsministerium (BMG). „Sie verantwortet die hierfür notwendige digitale Infrastruktur des Gesundheitswesens, die Telematikinfrastruktur, und treibt die digitale Vernetzung der Akteure im Gesundheitswesen insbesondere über die Definition und Durchsetzung verbindlicher Standards voran. Hierzu gehören die Konzeption, Spezifikation sowie Tests und Zulassung neuer digitaler Anwendungen.“ Von der Gematik hänge somit entscheidend ab, wie gut und wie effizient die Digitalisierung laufe.
Dafür sollen nun ein effektives Steuerungsmodell für die Telematikinfrastruktur (TI) geschaffen und etabliert werden und klare prozessbezogene Verantwortlichkeiten festgelegt werden. Zur Wahrung von Stabilität und Funktionalität der TI solle die Gematik zudem zukünftig „eine Ende-zu-Ende-Betrachtung vornehmen und in definierten Fällen steuernd eingreifen können“.
„Dies ermöglicht ihr, Nutzungshürden frühzeitig zu erkennen und diese bereits ab dem Zeitpunkt der Konzeption von digitalen Anwendungen zu minimieren.“ Derzeit führten Defizite in der Interoperabilität, Performanz, Stabilität und Nutzerfreundlichkeit in den Systemen der Leistungserbringenden dazu, dass die Möglichkeiten nicht vollends ausgeschöpft würden.
Damit sollen die erhöhten Kompetenzen der derzeitigen Gematik auch dafür sorgen, dass das E-Rezept stabiler läuft. „In den Anwendungen der Telematikinfrastruktur treten auch Probleme auf, die insbesondere auf eine fehlerhafte Implementierung in den Praxisverwaltungssystemen zurückzuführen sind“, heißt es. „Dies kann zu Ausfällen der Anwendungen – wie zum Beispiel dem E-Rezept – führen und gefährdet damit die Versorgung.“ Hier habe die Gematik bislang „aufgrund der komplexen Zuständigkeiten nur bedingt tätig werden“.
Um nun alles Wichtige bei einer Funktionsstörung schnellstmöglich zusammen tragen zu können, „erhält die Digitalagentur Gesundheit nunmehr ein Mandat“. Dies ermögliche es zur schnellen Störungsbeseitigung auch, Beteiligte „zur konkreten Ergreifung von Maßnahmen verpflichten zu können oder eigene Maßnahmen zu ergreifen“. Anbieter und Hersteller hätten der Digitalagentur dann hierdurch entstehende Kosten zu ersetzen.
Neben einzelner Mehrausgaben spare der Umbau Geld – vor allem den Krankenkassen und Marktteilnehmern, so der Entwurf. „Auf Seiten des GKV-Spitzenverbandes ist durch die zentrale Ausschreibung von Komponenten und Diensten durch die Digitalagentur Gesundheit mit Einsparungen zu rechnen. Die Einsparungen sind aktuell nicht bezifferbar. Außerdem spart der GKV-Spitzenverband jährlich rund 4 Millionen Euro durch den Wegfall der Pauschale für den elektronischen Arztbrief und für die Telefaxkosten. Ferner ist mit jährlichen Einsparungen in Höhe von rund 190.000 Euro durch die Verringerung der Anzahl erstattungsfähiger Vollzeitäquivalente beim Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) zu rechnen.“
Dafür bekommt die bereits bestehende koordinierende Stelle bei der Digitalagentur die zusätzliche Aufgabe, Anliegen entgegenzunehmen, die mit dem E-Rezept sowie der Kommunikation im Medizinwesen (KIM) und dem TI-Messenger (TIM) zusammenhängen. Hierfür werde es drei zusätzliche Stellen mit Kosten in Höhe von 284.640 Euro jährlich geben.
Für die Wirtschaft ergebe sich eine Entlastung von mehr als 4 Millionen Euro jährlich, auch die Primärsystem-Hersteller würden jährliche um etwa 4,3 Millionen Euro entlastet.
Kristine Lütke, Obfrau der FDP-Fraktion im Gesundheitsausschuss, sieht Potenzial: „Eine erfolgreiche digitale Transformation im Gesundheitswesen braucht klare und stringente Verantwortlichkeiten. Die neue Digitalagentur hat das Potenzial, zum Schlüsselakteur für die Digitalisierung im Gesundheitswesen zu werden. Digitalisierung ist kein Wert an sich, sondern sie wird den Arbeitsalltag aller Menschen im Gesundheitswesen erleichtern. Dazu brauchen wir offene Standards, Interoperabilität und Datensicherheit. Das kann auch die Arbeit in der Apotheke unterstützen und langfristig entbürokratisieren, wenn wir zum Beispiel an die Telepharmazie denken. Entscheidend ist: Die Vernetzung zwischen allen Beteiligten im Gesundheitswesen und den Patientinnen und Patienten muss digital gestaltet werden.“
Dr. Sibylle Steiner, Vorstandsmitglied der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), begrüßt den Gesetzentwurf zwar, doch nun müssten auch die Leistungserbringer vor Ort eingebracht werden. „Durchaus positive Ansätze weist der vorliegende Entwurf auf. Wir begrüßen es, dass die Digitalagentur in die Lage versetzt werden soll, Maßnahmen umzusetzen mit dem Ziel, die Stabilität der Telematikinfrastruktur zu erhöhen. Das ist dringend notwendig, da es immer noch viel zu viele Ausfälle und Störungen zu verzeichnen gibt. Außerdem soll die Digitalagentur künftig auch qualitative und quantitative Anforderungen an die Praxisverwaltungssoftware definieren. Das fordern wir bereits seit Längerem und ist nun im Entwurf aufgegriffen worden.“
Seit dem 10. Mai 2023 ist die Unternehmensberatung Roland Berger dazu involviert. Das Mandat lief bis Ende des Jahres, die Kosten könnten bis zu 2 Millionen Euro betragen haben. Wozu aber überhaupt eine Unternehmensberatung? „Die Gematik soll zu einer Digitalagentur ausgebaut werden, was einer strategischen Neupositionierung der Gematik im Gesundheits- und Pflegewesen als wichtiger koordinierender Akteur in Zusammenhang mit der Digitalisierung des Sektors und einer Weiterentwicklung des Aufgabenportfolios bedarf. Damit einher geht auch eine Transformation im Aufbau und den Abläufen der Organisation. Im Rahmen des strategisch-operativen Beratungsansatzes sollen daher neben der Planung und Begleitung der strategischen Neuausrichtung ebenso die Transformationsplanung und -umsetzung sowie die Neupositionierung und Detaillierung der angepassten Aufgaben durch Roland Berger unterstützt werden. Dabei sollen die relevanten Akteure eng eingebunden werden.“
Die tatsächlichen Kosten könnten aber noch viel höher liegen. Schon Ende 2022 hatte das Handelsblatt unter Verweis auf einen Beschluss des Haushaltsausschusses berichtet, dass der Umbau alleine 2023 fünf Millionen Euro kosten könnte. Bis 2026 könnten demnach weitere 4,5 Millionen Euro fließen.
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