Hinweise auf gravierende Lieferengpässe bei Arzneimitteln gibt es laut einer aktuellen Studie des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO) nicht: 98,8 Prozent aller Arzneimittel seien verfügbar. Die Probleme entstünden durch mangelnde Transparenz, die oft kritisierten Rabattverträge hätten damit nichts zu tun, so die AOK. Doch Apotheker Lars Hoffmann erlebt in der Praxis täglich, dass bestimmte Arzneimittel schwer zu beschaffen sind, was vor allem für kleinere Apotheken eine große Herausforderung darstellt.
Im Januar 2020 hat Hoffmann die Voss-Apotheke im schleswig-holsteinischen Eutin von seinem Vater übernommen. Seitdem erlebt er die Folgen von Lieferengpässen bei Arzneimitteln täglich in seiner täglichen Arbeit. „Sobald ein Medikament nicht lieferbar ist, beginnt das Suchen und Nachfragen – das ist schon ein Problem für die Versorgung“, beschreibt er die zeitintensive Herausforderung.
Die Hersteller belieferten zwar den Markt, aber das bedeute nicht, dass die Medikamente überall vor Ort verfügbar seien. Auch die von der AOK genannten Alternativen, die es für die meisten nicht lieferbaren Medikamente gebe, müssten schließlich individuell recherchiert und abgestimmt werden. Besonders frustrierend sei es, wenn ein Medikament vor Ort nicht verfügbar sei, aber problemlos im Internet bestellt werden könne, so der Inhaber.
Als eine Ursache für die Engpässe sieht Hoffmann den Preisdruck durch Rabattverträge. Die AOK und andere Krankenkassen zeigten kein Umdenken, da sie von den Rabattverträgen profitierten. Diese Verträge, so Hoffmann, könnten zu Monopolen führen, insbesondere wenn nur ein Hersteller den Zuschlag erhalte. Gleichzeitig führe der Kostendruck dazu, dass Unternehmen ihre Produktion ins Ausland verlagern.
„Die Politik weigert sich, dies zurückzunehmen und etwa wieder Festbeträge einzuführen, bei denen die Patienten alles, was darüber liegt, selbst zahlen müssten – das wäre transparent“, erklärt Hoffmann. Die derzeitigen Verträge und Preiskämpfe seien hingegen intransparent und machten das System schwer durchschaubar. Eine Ausweitung der Lagerhaltung sei zwar möglich, käme aber einer Planwirtschaft gleich.
Auch das Lieferengpassbekämpfungsgesetz (ALBVVG) habe in der Praxis bisher kaum Verbesserungen gebracht, so der Apotheker.
Hoffmann sieht langfristig die Notwendigkeit, den Industriestandort Deutschland für die Arzneimittelproduktion attraktiver zu machen. Energiepreise, Steuerbelastung und Personalkosten seien hierzulande große Hemmnisse. „Wir brauchen langfristige strategische Entscheidungen“, so Hoffmann. Subventionen seien keine optimale Lösung, eine marktwirtschaftliche Regulierung sei effizienter.
Für Apotheken sei die Eigenherstellung von Medikamenten inzwischen kaum noch möglich, da dies zu teuer geworden sei. „Es wäre besser, das Honorar anzupassen, um die Mehrarbeit, Rücksprachen und die Kostensteigerungen abzufedern. Die bisherige Mischkalkulation geht nicht mehr auf“, betont Hoffmann. Eine automatische Anpassung an die Kostenentwicklung sei notwendig. Er stellt die Frage, wie viel die Gesellschaft bereit sei, von den Versicherungsbeiträgen für Beratungen zu zahlen.
Die Wertschätzung für Apothekenarbeit bliebe dabei oft auf der Strecke, gerade bei der Mehrarbeit und Dokumentation von Lieferengpässen. Auch das E-Rezept sei eher eine zusätzliche Belastung: „E-Rezepte können nicht einfach geändert werden. Wenn ich in Absprache mit dem Arzt ein alternatives Medikament abgeben möchte, muss das Rezept komplett storniert und neu ausgestellt werden.“
APOTHEKE ADHOC Debatte