Engpass-Prämie im Kabinett, Abgaberegeln im Bundesrat Patrick Hollstein, 28.03.2023 07:53 Uhr
In dieser Woche wird es doppelt spannend für die Apotheken. Am Mittwoch soll sich das Bundeskabinett mit dem Gesetz gegen Lieferengpässe beschäftigen. Und am Freitag wird der Bundesrat über die Verlängerung der Abgabeerleichterungen beraten.
Am 17. März hatte der Bundestag das Gesetz zur Neustrukturierung der Unabhängigen Patientenberatung Deutschland (UPD) beschlossen. Per Änderungsantrag hatten die Ampel-Fraktionen gegen die Stimmen von CDU/CSU und AfD sowie Enthaltung von Die Linke die Verlängerung der Abgabeerleichterungen bis Ende Juli untergebracht; die Sars-CoV-2-Arzneimittelversorgungsverordnung läuft am 7. April aus. Das Gesetz ist als sogenanntes Einspruchsgesetz nicht zustimmungspflichtig; die Länder könnten theoretisch mit Mehrheit Einspruch erheben, der aber durch den Bundestag mit Mehrheit überstimmt werden kann. Insofern dürfte die Abstimmung am Freitag reine Formsache sein.
Spannender wird es am Mittwoch, wenn das Kabinett das Arzneimittel-Lieferengpassbekämpfungs- und Versorgungsverbesserungsgesetz (ALBVVG) beschließen soll. Am Referentenentwurf hatte es von allen Seiten massive Kritik gegeben, bislang hat Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) aber keine Signale gesendet, dass es noch Änderungen geben würde.
50 Cent für Apotheken
Wie schon in den Eckpunkten vorgesehen, sollen Apotheken einen Zuschlag von 50 Cent abrechnen können, wenn sie wegen Nichtverfügbarkeit Rücksprache mit dem Arzt oder der Ärztin halten müssen. Auch Nachfragen beim Großhandel sollen laut Entwurf berücksichtigt werden. Allerdings gilt das nur für Arzneimittel, für die der Beirat eine versorgungskritische Lage festgestellt hat. Laut Bundesgesundheitsministerium (BMG) dürften den Krankenkassen maximal Kosten im hohen, einstelligen Millionenbereich entstehen. Die Abda hatte den Zuschlag schon im Dezember als viel zu niedrig kritisiert.
Auch die gelockerten Abgaberegelungen sollen nur für solche Arzneimittel verstetigt werden, bei denen eine kritische Versorgungslage festgestellt wurde. Demnach sind Stückeln, Auseinzeln und Ausweichen auf andere Wirkstärken erlaubt, allerdings darf die Gesamtmenge an Wirkstoff dabei nicht überschritten werden. Den Patientinnen und Patienten sollen dabei Auf- und Zuzahlungen erlassen werden.
Lockerung bei Festbeträgen
Für Kinderarzneimittel sollen keine Festbeträge mehr gelten, stattdessen sollen die Hersteller ihre Preise einmalig auf das 1,5-Fache anheben können. Damit wird die Übergangsregelung, die im Januar für drei Monate durch den GKV-Spitzenverband eingeführt worden war, verstetigt – vorausgesetzt das Gesetz kommt rechtzeitig.
Auch für andere Wirkstoffe soll der Beirat bei einem sich abzeichnenden Versorgungsengpass die Empfehlung aussprechen können, den Festbetrag analog anzuheben oder die Festbetragsgruppe aufzulösen. Der neue Preis gilt dann als neuer Basispreis, für den die Regelungen des Preismoratoriums Anwendung finden.
Für anerkannte Reserveantibiotika mit neuen Wirkstoffen sollen pharmazeutische Unternehmen den von ihnen bei Markteinführung gewählten Abgabepreis auch über den Zeitraum von sechs Monaten hinaus beibehalten können.
Zweitanbieter bei Rabattverträgen
Die Krankenkassen werden verpflichtet, bei ihren Rabattverträgen ein zusätzliches Los auszuschreiben, bei dem ergänzend zum Preis das Kriterium „Anteil der Wirkstoffproduktion in der EU“ berücksichtigt wird. „Diese Regelung bezieht sich zunächst auf Arzneimittel zur Behandlung onkologischer Erkrankungen und auf Antibiotika.“ Der Beirat soll aber bei Bedarf weitere Wirkstoffe und Indikationen empfehlen können, die das Bundesgesundheitsministerium (BMG) dann der neuen Regelung unterstellen kann.
Längere Lagerhaltung
Für Rabattarzneimittel wird eine dreimonatige, versorgungsnahe Lagerhaltung eingeführt. Auch für die Klinikversorgung soll es neue Vorgaben geben, zunächst ebenfalls nur Krebsmedikamente und Antibiotika, entsprechend einem Bedarf von acht Wochen.
Zusätzlich soll beim BfArM ein Frühwarnsystem zur Erkennung von drohenden versorgungsrelevanten Lieferengpässen eingerichtet werden, die Kriterien sollen zuvor durch den Beirat ausgearbeitet werden.
Änderung des Warnhinweises
Im Heilmittelwerbegesetz (HWG) wird der bei der Arzneimittelwerbung gemäß § 4 Absatz 3 Satz 1 zwingend anzugebende Warnhinweis geändert, dieser war aufgrund seiner geschlechtsspezifischen Formulierung viel diskutiert worden. Lauterbach reagierte schon im Dezember zustimmend auf den Änderungswunsch. In Zukunft sollen die Wörter „und fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker“ durch die Wörter „und fragen Sie Ihre Ärztin oder Ihren Arzt oder fragen Sie in Ihrer Apotheke“ ersetzt werden.
Inkrafttreten im Sommer
Nach dem Kabinettsbeschluss haben Bundestag und Bundesrat noch die Möglichkeit, Änderungsvorschläge einzubringen. Vermutlich wird sich der Bundesrat am 12. Mai erstmals mit dem Gesetz beschäftigen. Damit wäre die 1. Lesung im Bundestag am 24. oder 25. Mai möglich, voraussichtlich am 14. Juni soll dann die Anhörung im Gesundheitsausschuss stattfinden. Damit kommt der nächste Termin im Bundesrat zwei Tage später wieder nicht in Frage. Stattdessen soll am 22. oder 23. Juni im Bundestag die 2./3. Lesung sein, sodass der zweite Durchlauf im Bundesrat dann bei der letzten Sitzung vor der Sommerpause am 7. Juli möglich wäre.