Schlagabtausch im Bundestag

Engpässe: Mehr Freiräume für Apotheken!

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Berlin -

Die Union will einen Beschaffungsgipfel gegen Engpässe, zum Antrag gab es im Bundestag einen hitzigen Schlagabtausch. Während die AfD den Vorschlag unterstützt, werfen die Gesundheitsexpert:innen der Ampel und die Linke der Union Ahnungslosigkeit und Flickschusterei vor. Dirk Heidenblut (SPD) und Maria Klein-Schmeinck (Grüne) lobten die Apotheken und forderte für sie mehr Freiräume und die Abschaffung von Nullretaxationen.

Tino Sorge (CDU) hätte sich einen Vorschlag der Regierung gewünscht, den gebe es aber bislang nicht. Die Ampel stehe aber trotz der kritischen Situation an der Seitenlinie, das sei ein Skandal. Obwohl die Probleme auf dem Tisch lagen, habe man nicht reagiert: Während Impfstoffe für Milliarden bestellt worden seien, habe man sich um Fiebersäfte nicht gekümmert. Dabei habe die dezentrale Bevorratung von Arzneimitteln bereits im März auf der Tagesordnung des Bundesgesundheitsministeriums (BMG) gestanden.

Wann denn nun mit Vorschlägen zu rechnen sei? Welches Weihnachten Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) gemeint habe? Sorge warf Lauterbach Dilettantismus vor: Die Festbeträge für drei Monaten auszusetzen sei jedenfalls keine nachhaltige Maßnahme. Auf die komme es jetzt aber an: Ohne leistungsfähige Pharmaindustrie und gut aufgestellte Apotheken komme man mit dem Standort Deutschland „ins kurze Gras“. So aber verlören die Akteure die Geduld und die Patienten das Vertrauen.

Martina Stamm-Fibich (SPD) bezeichnete den Antrag der Union als „blinden Aktionismus ohne jede Substanz“. Man müsse zwar die Lieferketten sicherer machen und den Pharmastandort stärken, dazu gebe es aber keine Vorschläge. Das, was gefordert werde, sei mit dem Beirat längst umgesetzt. „Stellen Sie sich mal vor, die machen da ihre Arbeit ganz ohne großes Primborium, ganz ohne Taskforce und ganz ohne Pressetermine für bayerische Gesundheitsminister im Wahlkampfmodus.“

Langfristig müsse der Preisdruck im generischen Markt verringert werden, das müsse aber an Bedingungen geknüpft werden. So müssten gewisse Produktionsstandards garantiert werden. Das werde Geld kosten, sei aber aus geopolitischen Gründen erforderlich. Beim Management von Lieferengpässe brauche man mehr Meldepflichten und Transparenz über im Markt befindliche Ware.

Keine Zwangslager in Apotheken

Von der Idee, die Lagerhaltung in den Apotheken zu erhöhen, hält Jörg Schneider (AfD) nichts. Man habe kein Problem bei der Verteilung im deutschen Markt, schon gar nicht seien die Engpässe die Schuld der Apotheken. Aber auch langfristig bringe es nichts, in Apotheken ziellos Ware zu bunkern, die womöglich nur in bestimmten Apotheken benötigt werde.

Paula Piechotta (Grüne) wies darauf hin, dass die Lieferengpässe etwa bei Hustensäften kein ausschließlich deutsches Problem seien. Es sei auch kein neu eskaliertes Problem, das vorher nicht beachtet worden sei. Aus ihrer Sicht konnte sich die letzte Bundesregierung allenfalls zu kleinen Maßnahmen durchringen, die nicht geeignet gewesen sein, das Problem zu lösen. Auch die aktuellen Vorschläge der Union seien nur Flickschusterei. „Wenn wir das Problem an der Wurzel packen wollen, sollten wir uns ehrlich machen, wie vielfältig die Ursachen sind, gerade global.“

Ja, es gebe auch Anbieter, die sich aufgrund niedriger Preise zurückzögen. Es gebe aber auch das Phänomen, dass Unternehmen sich gegenseitig vom Markt verdrängten. Alleine das Rückholen der Produktion könne Lieferengpässe nicht ausschließen, wie Piechotta an der Situation von Babynahrung in den USA zeige. Sie lobte das Ecxkpunktepapier von Lauterbach und kritisierte den „Abfall an gesundheitspolitischer Kompetenz“ in der Union. Der Antrag sei zehnmal substanzloser als Forderungen von Michael Hennrich aus dem Jahr 2019.

„Nicht nur labern!“

Laut Kathrin Vogler (Linke) hat es in den vergangenen Jahren kein Gesundheitsminister geschafft, das Problem zu lösen. Es sein ein Skandal, dass die aktuelle Bundesregierung bislang nicht tätig geworden sei. Aber auch die Union habe in den acht Jahren, in denen sie den Gesundheitsminister gestellt habe, nichts geliefert. Dass sie nun mit einem „dünnen Papier“ um die Ecke komme, sei ein „Treppenwitz“. Das geforderte Engpass-Register gebe es bereits, eine Einkaufsoffensive in den Nachbarländern sei ein Witz.

In Apotheken und Kliniken seien Engpässe längst Alltag, „aber das dürfen wir doch nicht hinnehmen“. Man brauche aber keinen neuerlichen Stuhlkreis, sondern müsse endlich handeln – und „nicht nur labern“.

Auch Lars Lindemann (FDP) sieht keinen Bedarf für einen Gipfel mit den Beteiligten, die seien ja bekannt. Immer wenn ein komplexes System sehr komplexe Probleme zeige, sollte man nicht nach noch komplexeren, sondern nach einfachen Lösungen suchen. „Wir müssen wieder die Apotheke der Welt werden und uns fragen, was wir tun müssen, damit wir dahinkommen.“ Bei den Rabattverträgen müsse man feststellen: „Nach fest kommt ab.“ Die Kassen müssten mehr Transparenz zeigen, sonst sei Deutschland als Pharmastandort nicht attraktiv. Das gelte auch für die Vorgaben für Studien und Datenschutz.

Es mache keinen Sinn, in einer nächsten Sparrunde wieder „unmotiviert nach Sparbeiträgen zu suchen“. Vielmehr müsse man einen Pakt für Deutschland als Apotheke der Welt schließen. „Dann werden wir über die Probleme auch nicht mehr sprechen müssen.“

Bürokratie löst keine Engpässe

Stephan Pilsinger (CSU) schilderte die Probleme von Eltern und Apotheken über Weihnachten und attackierte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD). „Die aktuelle deutsche Politik zerstört den deutschen Pharmastandort.“ Das geplante Generikagesetz müsse schnell kommen: „Labern Sie nicht nur bei Twitter und im Fernsehen, sondern schaffen Sie endlich Fakten.“ Er habe den Eindruck, dass Lauterbach sich nur für Corona interessiere; im Arzneimittelbereich habe er jedenfalls bislang mit dem Sparpaket nur etwas Negatives vorgelegt. Mit Bürokratie werde kein einziger Lieferengpass gelöst, daher der Eilantrag der Union.

Lob für Apotheken

Heidenblut spielte den Ball zurück: Während die Union einen Arbeitskreis gründen wolle, gehe das Ministerium konkrete Maßnahmen an. Er räumte ein, dass es Liefer- und zum Teil auch Versorgungsengpässe gebe. „Das muss man angehen.“ Aber das Problem sei extrem vielschichtig und werde auch seit Jahren schon diskutiert. National könne man aber etwas machen, und zwar bei denjenigen, die das Problem am stärksten ausbaden müssten: die Apotheken. Er dankte den Teams für ihren Einsatz und forderte mehr Flexibilität. „Das haben wir in der Corona-Pandemie ausprobiert, und es wäre ein Treppenwitz, wenn wir das im April auslaufen lassen.“ Apotheken dürften keine Angst mehr vor Retaxationen haben müssen, insbesondere Nullretaxationen gehörten auf die Tagesordnung.

Maria Klein-Schmeinck von den Grünen kündigte schnelle Maßnahmen an. Man müsse die internen und die externen Ursachen angehen, und zwar sehr differenziert. Ein wichtiger Punkt seien die Rabattverträge. Sie sparten fünf Milliarden Euro, Ausschreibungen könnten aber nicht nur über den Preis, sondern auch über die Qualität gehen. Qualitative Aspekte und Versorgungsaspekte müssten ausschlaggebend sein, ein Vorschlag liege vor. „Wir müssen schauen, ob das das Gelbe vom Ei ist.“ Und man brauche eine EU-Offensive für mehr Resilienz.

Entlastung bei der Abgabe

Auch sie forderte dringend eine Entlastung der Apotheken, die auf der Suche nach Alternativen oft von Bürokratie belastet würden. „Es ist aberwitzig, dass ich einen Kontakt zur Praxis brauche, nur weil 100 Tabletten aufgeschrieben sind, das Gebinde aber gar nicht verfügbar ist. Das müssen wir uns dringend sehr genau anschauen.“

Professor Dr. Andrew Ullmann (FDP) dankte der Union für ihren Antrag, wegen dem man nun endlich einmal über das Thema im Parlament spreche. Die Engpässe bei Kinderarzneimitteln seien „einfach nur peinlich“, er habe als Arzt und Angehöriger aber auch solche Probleme in anderen Bereichen gesehen. Die Pandemie habe Missstände aufgezeigt, die sich in den vergangenen 15 Jahren aufgestaut hätten. Die Politik habe die Sache zu lange verschlafen und Chancen verpasst. „Was wir jetzt erleben, ist der Gipfel dessen, was sich seit Jahren abgezeichnet hat.“

Dr. Georg Kippels (CDU) verwies auf den „etwas übermotivierten“ Vorschlag eines Flohmarktes des Ärztepräsidenten. Das sei zugespitzt und reißerisch gewesen, aber zeige den Ernst der Lage. Neben der offiziellen Engpass-Liste gebe es auch apothekeninterne Listen, die auch OTC-Medikamente enthielten und deutlich länger seien. Ohnehin sei der Beirat kein Gesetzgebungsorgan, strukturelle Fragestellungen könne nur die Politik liefern.Er erinnerte an den Pharmadialog, dort seien die Probleme bereits beschrieben worden. Daher sei es wichtig, dass jetzt wieder alle Beteiligten zusammengeholt würden, um Lösungsansätze zu liefern. In den Diskussionen zum GKV-Finanzstabilisierungsgesetz seien die Warnungen der Pharmaindustrie ignoriert worden.

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