Gehe stellt sich gegen die politischen Forderungen, Großhändler zu einer Aufstockung ihrer Reservehaltung zu verpflichten. Eine solche Maßnahme wäre demnach wirkungslos und würde lediglich zu millionenschweren Mehrkosten führen. Und mehr noch: Gehe-Chef Peter Schreiner zufolge könnte eine solche Maßnahme sogar kontraproduktiv sein und die Situation noch verschärfen. Stattdessen solle man das jetzige Rabattvertragssystem anpassen, so die Forderung.
Eine der vielen möglichen Maßnahmen, die derzeit diskutiert werden, um eine Linderung der anhaltenden Lieferengpässe zu erreichen, sind größere Reserven: Großhändler könnten demnach verpflichtet werden, ihre gesetzlich festgeschriebene Reserven von ausgewählten Arzneimitteln von aktuell zwei Wochen auf vier oder gar sechs Wochen aufzustocken.
Bei Gehe hält man das für Schaumschlägerei. Das Unternehmen „attestiert dieser Forderung vor allem eines: Wirkungslosigkeit“, teilt es mit. „Denn Arzneimittel, die knapp sind, können auch von Gehe nicht beschafft und der Lagerbestand damit auch nicht angehoben werden. Zudem würde diese wirkungslose Maßnahme eine unverhältnismäßige Mehrbelastung in Millionenhöhe bedeuten.“ Die § 52b Arzneimittelgesetz (AMG) vorgeschriebenen Lagerhaltungen praktiziere Gehe jetzt schon vollumfänglich.
Allerdings sei die Zahl der Defekte mittlerweile schlicht zu hoch: Derzeit listet das BfArM 530 Wirkstoffe in rund 34.000 Handelsformen als versorgungsrelevant ein. Davon sind rund 28.000 Rx-Arzneimittel. „Eine umfänglich präventive Bevorratung aller versorgungsrelevanten Arzneimittel bei Eingliederung in den Geschäftsbetrieb ist angesichts dieser enormen Menge schlicht unrealistisch.“ Die Investitionskosten hierfür sieht Gehe im mehrstelligen Millionenbereich, und das ohne dabei die „drastisch höheren Betriebskosten zu berücksichtigen“. Eine Anhebung der Lagerhaltungspflicht würde nicht nur „ins Leere laufen“, sondern könnte die Situation sogar noch verschärfen. „Darüber hinaus würden bereits erste Hinweise über drohende Lieferengpässe zu Hamsterkäufen bei den Marktakteuren führen und somit absolut kontraproduktiv wirken“, so Schreiner. „Die Folge: Dringend benötigte Arzneimittel wären nicht dort verfügbar, wo sie vom Patienten akut benötigt werden.“
Dabei betont der Hersteller, nicht prinzipiell gegen gesetzgeberische Initiativen gegen Lieferengpässe zu sein. „Maßnahmen, die Apotheken in ihrem Alltag entlasten und Patienten eine bessere Arzneimittelversorgung gewährleisten, unterstützt Gehe nach Kräften“, so die McKesson-Tochter. Damit meinen die Stuttgarter allerdings vor allem die zur Diskussion stehende Einrichtung eines Beirats beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) zum Monitoring von Lieferengpässen. Auch ein zentrales Register, in dem alle Akteure der Arzneimittellieferkette Informationen zu Arzneimittelengpässen melden, würde demnach für mehr Transparenz im aktuellen System sorgen und findet dementsprechend die Unterstützung des Großhändlers.
Der verweist bei der Gelegenheit gleich nochmal auf seine Kritik an den Rabattverträgen als Verursachern der Engpass-Krise. So belege eine Gehe-Auswertung aus dem Dezember 2019 den Zusammenhang zwischen Rabattverträgen und Lieferengpässen: Von den zehn am häufigsten beim Großhändler nachgefragten defekten Arzneimitteln befinden sich demnach acht unter Rabattvertrag stehende Generika.
Um Lieferengpässe in Zukunft wirkungsvoll zu verringern, müsse neben mehr Transparenz die Systematik der Rabattverträge verändert „und damit eine wesentliche Ursache von Lieferengpässen angegangen werden“. Dazu sollten bei der Vergabe der Rabattverträge zunehmend qualitative Aspekte stärker gewichtet werden und zukünftig Hersteller mit unterschiedlichen Wirkstofflieferanten berücksichtigt werden. Darüber hinaus sei die Politik gefordert, die Wirkstoffproduktion in Europa zu fördern.
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