Engpässe: BMG will Evidenz durch Evaluation Patrick Hollstein, 05.09.2024 13:49 Uhr
Mit dem Engpassgesetz (ALBVVG) wollte das Bundesgesundheitsministerium (BMG) vor einem Jahr die Versorgung sichern. Doch ob sich tatsächlich etwas verbessert hat, dazu gibt es keine Erkenntnisse. Das BMG will die für Ende des Jahres beziehungsweise Ende 2028 vorgesehene Evaluation abwarten und verweist ansonsten auf den Beirat. Der Branchenverband Pro Generika reagiert entsetzt.
„Die Ergebnisse dieser Evaluation bleiben abzuwarten“, schreibt das BMG unter so ziemlich jede Antwort auf eine Kleine Anfrage der Unionsfraktion. Die hatte dezidiert abgefragt, was die verschiedenen Maßnahmen des ALBVVG eigentlich gebracht haben:
- Welche Mehraufwendung es im Zusammenhang mit Ausschreibungen zu Antibiotika gegeben habe? Wisse man nicht, die Konditionen bei Rabattverträgen seien Geheimsache.
- Inwiefern sich die Lieferketten diversifiziert hätten? Werde die Evaluation zeigen.
- Inwieweit die Lockerungen beim Hersteller ankämen oder durch andere Kostendämpfungsinstrumente aufgezehrt würden? „Die Ergebnisse dieser Evaluation bleiben abzuwarten.“
- Was man bei Arzneimitteln zu tun gedenke, die vor dem ALBVVG nur mit Aufzahlung erhältlich waren und bei denen die angehobene Erstattungsgrenze faktisch als Deckel wirke? Betreffe ausschließlich Arzneimittel, die oberhalb der jeweils gültigen Festbeträge lagen. „Die Auswirkungen der Änderungen der Freistellung von der Zuzahlung
sind Teil der Evaluation.“ - Ob man Ausnahmeanträge nicht erleichtern kann, da derzeit ein Ministerium, zwei Behörden sowie der GKV-Spitzenverband beteiligt seien? Und wie oft Marktrücknahmen schon verhindert wurden? Erst einen Antrag habe es gegeben, und der sei vom GKV-Spitzenverband abgelehnt worden. Die eigentlichen Fragen beantwortet das BMG nicht.
- Warum die 50-prozentige Anhebung der Festbeträge nicht auch auf Krebsmittel wie Tamoxifen ausgeweitet worden sei? Über versorgungskritische Wirkstoffe entscheidet laut BMG der Beirat – und natürlich: Evaluation abwarten. Was das BMG nicht erwähnt: Im Beirat sorgen seit einiger Zeit mehrere Kassenvertreter für Blockade.
- Wie man bei Onkologika in der Klinikversorgung Engpässen entgegenwirken könne, wenn die neuen Ausschreibungsregeln des ALBVVG insbesondere auf die ambulante Versorgung zielen? Das BMG verweist auf die Bevorratungspflichten und – natürlich: auf die Evaluation.
So geht es noch eine ganze Weile weiter, für Pro Generika steht fest: „Das Anti-Engpass-Gesetz bringt fast nichts.“ Weder bei Kinderarzneimitteln noch bei Antibiotika oder Krebsmitteln habe sich die Lage bislang verändert. „Das Bundesgesundheitsministerium muss dringend nachbessern, wenn wir gut durch die Erkältungszeit kommen wollen“, so Geschäftsführer Bork Bretthauer.
Das ALBVVG habe nicht dazu geführt, dass neue Werke für Generika in Europa entstehen, viele Zuschläge an europäische Wirkstoffhersteller vergeben wurden, die Ursachen für den Engpass beim Antibiotikum Doxycyclin strukturell bekämpft werden oder sich der Preisdruck auf die Hersteller von Brustkrebsmitteln wie Tamoxifen lockert und die Lage am Markt entspannt.
Auch die geplante Entlastung der Hersteller von Kinderarzneimitteln laufe in vielen Fällen ins Leere. „Einige Anbieter sind seit der Reform nicht besser, sondern schlechter gestellt als zuvor. Doch statt vernünftig gegenzusteuern, schreibt das Bundesgesundheitsministerium Briefe an die Hersteller. Darin fragt sie, ob sie nicht lieber in den Zustand vor Inkrafttreten des ALBVVG zurückkehren wollen.“
Bretthauer: „Jetzt haben wir es schwarz auf weiß: Das ALBVVG vermag das Problem der Lieferengpässe nicht lösen. Durch Flickschusterei kann sich die Lage nicht verbessern. Die Politik muss nachlegen und endlich beim Preisdumping bei Generika vernünftig gegensteuern. Ansonsten wird bereits die kommende Erkältungssaison offenbaren, dass die angekündigten Besserungen ausgeblieben sind.“