EMA bekommt Engpass-Datenbank Patrick Hollstein, 20.01.2022 14:34 Uhr
Lieferengpässe sollen künftig auch auf europäischer Ebene vermieden werden. Die Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA) wird mit zusätzlichen Kompetenzen ausgestattet, um Verfügbarkeitsprobleme bei Arzneimitteln und Medizinprodukten, die als kritisch eingestuft werden, zu überwachen und abzumildern. Dies hat das EU-Parlament beschlossen.
Im Kern geht es um mehr Transparenz bei Engpässen, klinischen Prüfungen und Marktzulassungen und damit verbunden eine bessere Krisenvorsorge und besseres Krisenmanagement für Arzneimittel und Medizinprodukte. Es werden zwei „Lenkungsgruppen für Engpässe“ eingerichtet, und die EMA wird eine „Europäische Plattform zur Überwachung von Engpässen“ („European Shortages Monitoring Platform” – ESMP) einrichten und verwalten, um die Datenerfassung zu erleichtern. Geplant ist auch eine öffentliche Website mit Informationen über Engpässe. Daten zu klinischen Prüfungen und Produktinformationen über zugelassene Arzneimittel sollen zeitnaher und transparenter zur Verfügung gestellt werden.
Mit der ESMP sollen permanent umfassende Informationen zu allen Arten von Engpässen gesammelt werden: Die Daten sollen von den nationalen Arzneimittelzulassungsbehörden kommen, die wiederum von den Herstellern, Großhändlern und Apotheken/Krankenhausapotheken informiert werden. Die Unternehmen sollen nicht nur Angaben zur Liefersituation machen, sondern auch zu den jeweiligen Fertigungsstätten der Präparate und Wirkstoffe, ihre eigenen Lagerbestände, alternativen Arzneimittel sowie Maßnahmen gegen Engpässe.
Alle Akteure der Lieferkette werden enger eingebunden, darunter Vertreter von Herstellern, Großhändlern, medizinischen Berufen und Patienten. Berichterstatter Nicolás González Casares sagte: „Die neue Verordnung bringt mehr Transparenz, sowohl in Bezug auf die Agentur als auch bei allen Akteuren in der Lieferkette, die sie stärker in den Prozess einbindet, und sie fördert Synergien zwischen den EU-Agenturen. Darüber hinaus ebnen wir den Weg zur Förderung klinischer Studien für die Entwicklung von Impfstoffen und Behandlungen, was die Transparenz in diesen Bereichen erhöht.“
Mit der neuen Plattform zur Überwachung von Arzneimittelengpässen gebe man der EMA ein wichtiges Instrument an die Hand, um die Arzneimittelversorgung zu überwachen und Engpässe zu verhindern. „Kurz gesagt, mehr Transparenz, mehr Beteiligung, mehr Koordinierung, wirksamere Überwachung und mehr Prävention".
Nach der Schlussabstimmung im EU-Parlament wird der Text jetzt im Amtsblatt der EU veröffentlicht. Die Verordnung soll schon ab dem 1. März gelten.
Der Bundesverband der Arzneimittel-Hersteller (BAH) sieht die Sache positiv: „Grundsätzlich halten wir die Übertragung von koordinierenden, beratenden und unterstützenden Aufgaben an die EMA in bestimmten definierten Krisensituationen für sinnvoll“, so Hauptgeschäftsführer Dr. Hubertus Cranz. „Nun gilt es darauf zu achten, dass bei der praktischen Umsetzung pragmatisch und zielorientiert vorgegangen wird. Eine unnötige Komplexität bei der Arbeit der Behörden ist zu vermeiden. Es sollte keine Bürokratisierung entstehen, die den Zielsetzungen der Verordnung entgegenläuft.“
In erster Linie solle auf bestehende Strukturen zurückgegriffen werden, bevor weitere Gremien involviert werden. „Im Zusammenhang mit der Bekämpfung von Engpässen sollte das Netzwerk der nationalen Zulassungsbehörden genutzt werden. Dieses hat sich im Rahmen der aktuellen Pandemie bewährt“, so Cranz weiter.
Schon in seiner Stellungnahme hatte der BAH sich gegen die neue Datenbank ausgesprochen. Aufwand und Nutzen stünden in keinem Verhältnis: „Ein Beitrag zur Bekämpfung der Ursachen von Engpässen kann mit einer zusätzlichen Datenbank nicht geleistet werden.“
Aufgabe einer Datenbank könne allenfalls sein, frühzeitig Informationen über Lieferschwierigkeiten zu erhalten, damit zeitnah ein sinnvolles Lieferengpassmanagement eingeleitet werden könne, um entweder einen Liefer- oder gar Versorgungsengpass abzuwenden oder abzufedern. „Damit ist es nicht erforderlich, umfassende Informationen bezüglich aller Arzneimittel zu erfassen. Dies belastet die nationalen Behörden und die Unternehmen unverhältnismäßig, ohne einen angemessenen Mehrwert zu erzielen. Außerdem sollten bei der Datenerhebung auf bereits bestehende Strukturen und Datenbanken zurückgegriffen werden. Doppelte Meldepflichten und parallele Datenbankstrukturen sollten unbedingt vermieden werden.“