Einzelimporte werden nach Ansicht von Experten nicht mehr möglich sein, wenn für sie dieselben Maßstäbe bei der Preisbildung angelegt werden wie für in Deutschland zugelassene Präparate. Der Vorstand des Verbandes der Einzelimporteure internationaler Arzneimittel VEIA warnt vor dem Aus für den therapeutisch begründeten Sondervertriebsweg.
Das Landesgericht Dresden (LG) hatte vor einigen Wochen eine Apotheke aus Sachsen dazu verurteilt, einer privaten Krankenversicherung 15.000 Euro plus Zinsen zurückzuerstatten. Die Apotheke hatte Kadcyla (Trastuzumab Emtansin) von Roche über einen Münchner Einzelimporteur aus dem Ausland besorgen lassen. In Deutschland war das Krebsmedikament damals noch nicht verfügbar.
Auch für Einzelimporte gelte die Arzneimittelpreisverordnung (AMPreisV), so die Begründung der Richter. Die Versicherung hatte sich auf einen im Internet recherchierten vermeintlich gängigen Preis bezogen und die Differenz von der Apotheke zurückgefordert.
Das Gericht gab der Klage statt, zog von der Forderung lediglich die gesetzlichen Honorare für Großhandel und Apotheke ab. Dass die Apotheke den Einkaufspreis des Zwischenhändlers im Ausland gar nicht kannte, spielt aus Sicht des LG keine Rolle. Der Höchstabgabepreis von Roche sei zwar „vorliegend nicht bekannt“, allerdings habe die Versicherung substantiiert dargelegt, dass der Abgabepreis niedriger gewesen sei.
Die Begrenzung auf den Herstellerabgabepreis im Bezugsland sei realitätsfremd, schreibt der VEIA. Die Importeure könnten die Kosten für die oftmals aufwändige Beschaffung nicht mehr in Rechnung stellen und müssten ihre Tätigkeit einstellen. Der Patienten hätten das Nachsehen.
Der Verband begrüßt, dass die Apotheke bereits in Berufung gegangen ist. Der beauftragte Einzelimporteur unterstützt die Klage als Streithelferin. Der VEIA-Vorstand setzt darauf, dass die Entscheidung in der nächsten rechtlichen Instanz aufgehoben wird. Niemand könne ein ernsthaftes Interesse daran haben, ein sehr gut funktionierendes, seit Jahrzehnten bewährtes und besonders in akuten Notfällen unverzichtbares Instrument des Arzneimittelbezugs aus dem Ausland aufzugeben. Der Einzelimport gewährleiste dauerhaft Therapiefreiheit bei hoher Arzneimittelsicherheit und vernachlässigbaren Kosten.
Gegenüber Krankenkassen besteht das Problem zwar nicht, da diese den Import in aller Regel vorab genehmigen, womit auch die Preisfrage geklärt ist. Allerdings könnte das Urteil hier zu einem massiven Preisrutsch führen.
Theoretisch darf jede Apotheke Arzneimittel aus dem Ausland einführen. Das ist in §73 AMG geregelt. Weil das nicht jede Apotheke selbst kann, haben sich Einzelimporteure spezialisiert. Dem Branchenverband VEIA zufolge gibt es weniger als 20 Importeure, zehn haben sich in dem Verband zusammengeschlossen.
Ein Einzelimport ist nur in einigen Ausnahmefällen erlaubt: wenn ein Wirkstoff in Deutschland nicht erhältlich ist, sei es auch nur in einer bestimmten Wirkstärke oder Darreichungsform, wenn ein Wirkstoff hierzulande nicht zugelassen oder ein Medikament außer Handel ist. Aber auch bei vorübergehenden Lieferengpässen kann der Einzelimport eine Lösung sein. Der Großhändler muss den Engpass schriftlich bestätigen. Für den Import von Arzneimitteln – Rx und OTC – muss grundsätzlich ein Rezept vorliegen – außer bei OTC-Präparaten aus dem EU-Ausland.
Krankenkassen müssen die Kosten für ein importiertes Arzneimittel nicht übernehmen. Zahlt der Patient nicht privat, muss die Übernahme beantragt werden. Für den Kostenvoranschlag muss der Verkaufspreis berechnet werden. Sobald die Zusage der Kasse da ist, kann das Arzneimittel bestellt werden. Kassenrezepte können normal über die Rechenzentren abgerechnet werden: Für den Import von rezeptpflichtigen Arzneimitteln wird die Sonder-PZN 09999117 verwendet, bei OTC-Präparaten kommt die 09999206 zum Einsatz. Beschaffungskosten können mit der PZN 09999637 abgerechnet werden.
Am Ende steht die Dokumentation: Es muss protokolliert werden, welches Arzneimittel in welcher Menge von welchem Hersteller über welchen Importeur für welchen Patienten eingeführt wurde. Auch der verordnende Arzt sowie das Datum von Bestellung und Abgabe müssen dokumentiert werden. Nach Schätzungen von VEIA werden jährlich rund 1,2 Millionen Packungen auf therapeutische Veranlassung hin importiert. Nur 120.000 Packungen werden von den Krankenkassen und privaten Versicherungen erstattet.
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