Bürgermeister besucht Apotheke

Ein Jahr später: „Nichts besser, sondern schlimmer“

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Berlin -

Im vergangenen Jahr gingen die Apothekenteams Mitte Juni auf die Straße. Das sorgte auch in Herford für Aufsehen; Bürgermeister Tim Kähler (SPD) informierte sich in der Apotheke von Jens Kosmiky über die Umstände und schaute nun ein Jahr später wieder vorbei. Verändert habe sich die Notlage seitdem nicht; „es wird vielmehr immer schlimmer“, so Kosmiky, Vorsitzender der Bezirksgruppe Herford im Apothekerverband Westfalen-Lippe (AVWL).

Der Entwurf für das Apotheken-Reformgesetz (ApoRG) ist inzwischen da, laut Kosmiky wird die Umsetzung die Probleme der Vor-Ort-Apotheken noch verschärfen. Kleinere Landapotheken werden es immer schwerer haben, die Apothekenzahl wird weiter sinken. Als einen der Gründe dafür nennt Kosmiky die mangelnde Honorierung bei überbordender Bürokratie.

Nicht mal Mindestlohn für Rezepturen

Individuelle Rezepturen seien beispielsweise eine der Kernaufgaben der Apotheke vor Ort. Sollte das ApoRG kommen wie geplant, könnten diese bei Filialverbünden künftig von nur noch einer der bis zu sechs Apotheken übernommen werden. Doch egal, wo sie hergestellt werden: Rezepturen könnten bis zu einer Stunde Zeit in Anspruch nehmen, so Kosmiky, unter anderem für die aufwendige Dokumentation. 6 Euro bekommt die Apotheke am Ende dafür. „Das ist nicht annähernd Mindestlohnniveau“, kritisiert der Inhaber.

„Überall explodieren die Kosten und wir erhalten noch nicht mal einen Inflationsausgleich. Ein Drittel aller Apotheken ist wirtschaftlich gefährdet, jede zehnte erwirtschaftet keinen Gewinn“, so Kosmiky gegenüber dem Kommunalpolitiker. Auf abgegebene Rx-Arzneimittel zahlten Apotheken auch noch 46 Cent drauf. „Wir müssen also aktuell noch Geld mitbringen, um unsere Patienten versorgen zu können.“

Der Kreis Herford hat in den vergangenen zehn Jahren elf Apotheken verloren, 48 halten hier noch die Stellung, wobei das Ende von vier weiteren Apotheken bereits befürchtet werde.

Umverteilung ist Mogelpackung

Die in der Reform vorgesehene Umverteilung sei eine Mogelpackung, so Kosmiky. Kleine Apotheken würden nur geringfügig besser gestellt, großen drohten hingegen hohe Einbußen. Die Versorgung der Patient:innen mit Hochpreisern werde dadurch massiv erschwert: „Wir müssen Arzneimittel teils im Wert von fünfstelligen Summen vorfinanzieren. Mit der angedachten Reform wären diese Vorfinanzierungskosten nicht mehr tragbar“, so Kosmiky.

„Zudem will der Bundesgesundheitsminister Apotheken ohne Apotheker schaffen, angeblich um die ländliche Versorgung Schwerkranker zu sichern. Umfassende Medikationsberatungen, Impfungen, die Abgabe von Betäubungsmitteln, die Herstellung von individuellen Rezepturen – das alles ist ohne Apotheker aber nicht möglich“, warnt Kosmiky.

Eine bessere Entlohnung seiner Fachkräfte sei derzeit nicht machbar: „Aber wenn die Politik die Vergütung der Apotheken nicht anpasst, können wir diese Gehaltssteigerungen nicht gegenfinanzieren“, beschreibt Kosmiky das Problem.

Kähler weiß um die Bedeutung der Apotheken: „Die Attraktivität einer Stadt hängt maßgeblich von einem guten Sozialgefüge ab, und dazu gehört unbedingt auch eine sichere ärztliche und apothekerliche Versorgung.“ Und er gibt zu bedenken, dass es günstiger ist, ein funktionierendes System zu erhalten, als ein zerstörtes wieder aufzubauen.

„Wenn es keine Apotheken vor Ort mehr gibt“, betont Kosmiky, „wird dies für das Gesundheitssystem und die Gesellschaft deutlich teurer, bei gleichzeitig schlechterer Versorgung.“ Die Pläne von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) müssten daher dringend aufgehalten werden. Kähler versicherte bei seinem Besuch: „Ich setze mich unbedingt für den Erhalt der Apotheke vor Ort ein.“

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