Eigenbedarf: PKV muss Apotheker:innen nur AEK zahlen Patrick Hollstein, 07.06.2021 12:50 Uhr
Privat krankenversicherte Apotheker:innen dürfen Arzneimittel für sich selbst nur zum Einkaufspreis (AEK) abrechnen. Das hat das Oberlandesgericht Zweibrücken (OLG) entschieden. Weder das Prinzip der Rx-Preisbindung noch die Vergütung von Anwält:innen, die sich selbst in Prozessen vertreten und dabei die komplette Gebühr abrechnen können, überzeugten das Gericht.
Beziehen Apotheker:innen rezeptpflichtige Fertigarzneimittel aus der eigenen Apotheke, sind ihnen laut Urteil von ihrer privaten Krankenversicherung (PKV) lediglich die Einkaufspreise – Herstellerabgabepreis plus Großhandelszuschlag – zu erstatten, nicht aber die Apothekenabgabepreise (AVP) auf der Basis der Arzneimittelpreisverordnung (AMPreisV), so das Gericht. Dies ergebe sich aus den Versicherungsbedingungen, aber auch aus systematischen Erwägungen und dem Wesen der PKV als „Passivenversicherung“.
Der Leistungsanspruch knüpfe in der PKV nämlich an den „Anfall von Aufwendungen für eine vereinbarte Leistung“ an: „Der Versicherungsnehmer muss die Aufwendungen tatsächlich eingegangen sein, bevor ein Erstattungsanspruch in Betracht kommt.“ Damit ist laut Gericht grundsätzlich vorausgesetzt, dass ein echtes Schuldverhältnis vorliege, also eine „Rechtsbeziehung zu einer anderen Person“. Nur sofern also Dritten – etwa dem Großhändler – gegenüber Aufwendungen entstanden sind, komme folglich eine Erstattungspflicht in Betracht. „Diese hat sich somit auf den gezahlten Apothekeneinkaufspreis zu beschränken.“
Zwar sei die Differenz zwischen Einkaufspreis und Verkaufspreis nicht identisch mit dem Reingewinn eines Apothekers oder eine Apothekerin, so das OLG mit Verweis auf die allgemeinen Betriebskosten und Beratungsleistungen. „Indes handelt es sich nur um mittelbare Aufwendungen, die den verkauften Arzneien zwar rechnerisch, nicht aber juristisch ‚zugerechnet‘ werden können.“
Aufwendungen für den Geschäftsbetrieb stünden nicht im direkten Zusammenhang mit dem Versicherungsfall: „Es handelt sich vielmehr um davon unabhängige, allgemein mit dem Betrieb der Apotheke verbundene fixe Kosten, die in Grund und Höhe auch dann anfallen, wenn der Kläger das verordnete Fertigarzneimittel nicht in seiner Apotheke bezieht.“ Solche „nur mittelbare Aufwendungen“ seien nach dem in der PKV geltenden Grundsatz der konkreten Bedarfsdeckung, nicht erstattungsfähig.
Die Begrenzung der Leistungspflicht diene der Beitragskalkulation in der PKV. „Würde man indes die Leistungspflicht bei einem Bezug rezeptpflichtiger Fertigarzneien in der eigenen Apotheke auch auf die anteiligen allgemeinen – von Apotheke zu Apotheke variierenden – Betriebskosten ausdehnen, wäre eine rechtssichere Kalkulation und Abrechnung beim Eigenbezug von Arzneien nahezu ausgeschlossen und wären Streitigkeiten über den Umfang der Leistungspflicht geradezu vorprogrammiert.“
Das OLG verweist auch auf ein potenzielles Missbrauchsrisiko – Praxisangestellte und Physiotherapeuten etwa könnten wegen der fehlenden Kontrollmöglichkeiten gerade keine Eigenbehandlung abrechnen. Dass Anwälte anders gestellt sind und ihre Gebühr auch dann geltend machen können, wenn sie sich selbst vertreten, hat laut Gericht damit zu tun, dass es sich um eine Kosten- und nicht um eine Schadensversicherung handelt. Zudem erbringe er eine geldwerte anwaltliche Leistung durch Einsatz von Zeit und Arbeitskraft. „Im Streitfall verhält es sich anders; im Hinblick auf den Unterschiedsbetrag zwischen Einkaufspreis und Verkaufspreis wendet der Apotheker nichts (jedenfalls nicht in diesem Umfang) auf.“
Auch die Preisbindung ließ das OLG nicht gelten. Zweck des einheitlichen und verbindlichen Apothekenabgabepreises sei die Sicherstellung der flächendeckenden Arzneimittelversorgung – im Fall der Privatentnahme spielten diese Überlegungen aber keine Rolle: „Eine Preisbindung besteht insoweit nicht. Der Apotheker verstößt dementsprechend auch nicht gegen Standesrecht, wenn er Fertigarzneien ohne oder lediglich gegen Einlage des Einkaufspreises aus der eigenen Apotheke entnimmt.“
Dass die PKV den kompletten Preis zahlen müsste, wenn das Medikament über eine Drittapotheke bezogen worden wäre, begründet laut OLG keine Erstattungspflicht, wenn tatsächlich der Bezug in der eigenen Apotheke erfolgt ist. „Denn der Ersatz hypothetischer Kosten ist mit dem Charakter der privaten Krankenversicherung als Passivenversicherung nicht vereinbar.“
Im konkreten Fall muss der Apotheker nun wohl zuviel erstattete Beträge zurückzahlen. Zwar habe die PKV die berufliche Stellung ihres Versicherten womöglich gekannt, sich aber irrtümlich verpflichtet gefühlt, den Apothekenabgabepreis zu erstatten.