Weil die Präsidenten der Apothekerkammer ihre Arbeit als Ehrenamt ausüben, sind ihre Aufwandsentschädigungen von der Umsatzsteuer befreit – das könnte sich jetzt ändern. Seit mehr als einem Jahr rangelt die Apothekerkammer Hamburg mit dem Finanzamt der Hansestadt. Dieses will von Kammerpräsident Kai-Peter Siemsen 19 Prozent seines Kammer-Salärs abkassieren. Die Begründung: Siemsen arbeitet mit durchschnittlich 30 bis 35 Wochenstunden viel zu viel für einen Ehrenamtler. Daraus könnte ein Präzedenzsfall für alle Kammerpräsidenten werden.
Nach §4 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) ist die ehrenamtliche Tätigkeit von der Umsatzsteuer befreit, wenn sie für juristische Personen des öffentlichen Rechts ausgeübt wird. Das gilt für alle Kammerpräsidenten, also auch für Siemsen von der Apothekerkammer Hamburg (AK) als Körperschaft des öffentlichen Rechts.
1972 hat die Kammer der Hansestadt für ihre Präsidenten eine Aufwandsentschädigungen eingeführt, mit der eine Vertretung in der eigenen Apotheker bezahlt werden kann. Seit mehr als 40 Jahren zahlt die AK Hamburg eine Entschädigung, die in der Höhe die Kosten für eine approbierte Vertretung inklusive der Sozialabgaben ersetzen soll.
„Durch die approbierte Präsenzpflicht in der Apotheke und der dagegenstehenden Übernahme von Präsidentenaufgaben auch außerhalb der Apotheke wurde dies damals so festgelegt. Dies war in den zurückliegenden zahlreichen Überprüfungen der Finanzämter auch nie ein Thema“, sagte Siemsen bei der gestrigen Kammerversammlung. Schließlich nähmen die Vorstände der Heilberufskammern hoheitliche Aufgaben des Staates wahr. Siemsen: „Diese Aufgaben erfüllen sie ehrenamtlich und überparteilich zum Wohle der Allgemeinheit.“
Seit 15 Monaten ist diese Regelung den Hamburger Finanzbehörden aber ein Dorn im Auge. Auf der Suche weiteren Staatseinnahmen habe man die Aufwandsentschädigungen des Präsidenten „ins Visier genommen“. Dabei steckt Siemsen jetzt in der Zwickmühle. Denn das Finanzamt argumentiert über zwei Wege: Weil Siemsen mit bis zu 35 Stunden Arbeitszeit für die Kammer nahe an eine Vollzeitstelle herankommt, unterstellen die Finanzbeamten eine umsatzsteuerpflichtige Hauptberuflichkeit. Siemsen hat den Finanzbeamten seinen Terminkalender vorgelegt.
Bei weniger Arbeitsstunden im Ehrenamt argumentiert des Finanzamt laut Siemsen mit überhöhten Zahlungen, die nicht mehr als Aufwandsentschädigung durchgehen würden. In beiden Fällen wird also nach Ansicht des Finanzamtes die Umsatzsteuerfreiheit ausgehebelt und für die Aufwandsentschädigung wird Mehrwertsteuer fällig – so oder so. Das er von den Einnahmen seiner Apotheke lebe und die Aufwandsentschädigung der Kammer nicht einmal die Personalkosten des vertretenden Apothekers deckten, werde vom Finanzamt „als nicht relevant ignoriert“, beklagt sich der Kammerpräsident.
Siemsen: „Es zeugt schon von einer großen Portion Zynismus, dass staatliche Stellen die ehrenamtlichen Arbeiten, die die Apothekerkammer unentgeltlich und hochqualifiziert für den Staat erbringt, jetzt auch noch als lukrative Einnahmequelle nutzen möchten. Da reiht sich der Staat ungeniert in die Phalanx der Rosinenpicker ein.“
Noch ist aber in Hamburg nichts entschieden: Die Kammer verhandelt mit der Finanzbehörde weiter. Ein Bescheid ist noch nicht ergangen. Hinzugezogen wurde aber ein Steuerrechtsexperte, der die Kammer in der Sache beraten soll.
Immerhin könnte der finanzielle Schaden für die Kammer in die Hunderttausend Euro gehen: „Da diese Forderungen des Finanzamtes ja rückwirkend geltend gemacht werden sollen, kommen hier schnell sechsstellige Beträge zusammen, insbesondere da das Finanzamt Zinsforderungen von 6 Prozent per anno erhebt“, so Siemsen. Bis zu zehn Jahre rückwärts könnte das Finanzamt die Umsatzsteuerfrage aufrollen.
Mehr noch: Möglicherweise ist Hamburg erst der Anfang. Auch in den anderen Kammerbezirken könnten die Finanzämter die Kammerpräsidenten unter die Lupe nehmen. Die Umsatzsteuerbefreiung war in anderen Bundesländern ebenfalls schon Thema.
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