TSVG

eGK: Spahn will die Gematik kapern Tobias Lau, 31.01.2019 15:25 Uhr

Berlin - 

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) will offenbar die Macht über die Gesellschaft für Telematik (Gematik) in sein Haus holen. Laut einem Änderungsantrag zum Terminservice- und Versorgungsgesetz soll der Staat, vertreten durch Spahns Ministerium, zum Mehrheitsgesellschafter ernannt werden. Dadurch sollen schneller und einfacher Beschlüsse gefasst werden, um sicherzustellen, dass der Zeitplan zur Einführung der elektronischen Gesundheitskarte (eGK) eingehalten werden kann.

Wenn man will, dass etwas richtig gemacht wird, sollte man es selbst machen. Das denkt man offenbar im BMG. Nach jahrelangen Verzögerungen, Aufschüben und Absagen wollen Spahn und sein Haus bei der Digitalisierung des Gesundheitswesens offenbar selbst die Zügel in die Hand nehmen. 51 Prozent der Geschäftsanteile sollen an das BMG gehen, der Rest wird aufgeteilt: Jeweils 24,5 Prozent sollen an den GKV-Spitzenverband und die Spitzenorganisation der Leistungserbringer gehen. Bei drei Besitzern soll es aber nicht bleiben: Das BMG fordert laut Antrag, dass die Gematik für weitere Gesellschafter geöffnet wird.

Auch die Beschlussfassung soll reformiert werden: Künftig soll grundsätzlich eine einfache Mehrheit der Stimmen ausreichen, „sofern nicht zwingende gesetzliche Mindesterfordernisse dem entgegenstehen“, zitiert das Ärzteblatt aus dem Antrag. „Die Digitalisierung im Gesundheitswesen, insbesondere die Einführung medizinischer Anwendungen der elektronischen Gesundheitskarte und der Telematikinfrastruktur, soll zügig und konsequent umgesetzt werden“, erklärt das BMG. „Hierzu sollen Entscheidungsprozesse in der Gesellschaft für Telematik effektiver als bisher gestaltet werden. Um dies zu erreichen, soll das Bundesministerium für Gesundheit den Entscheidungsprozess stärker mitgestalten.“

Erst vor kurzem hatte sich Spahn mit einem Änderungsantrag zum TSVG Gegner gemacht: Mit einem Ergänzungsantrag will er sein Ministerium grundsätzlich ermächtigen, per Verordnung allein und ohne Zustimmung des Bundesrates darüber zu entscheiden, welche Leistungen die gesetzlichen Krankenkassen zahlen. Bisher entscheidet das der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) allein. Dessen Chef Josef Hecken zeigte sich entsprechend empört über den Vorstoß.

Druck, in Zukunft schnelle Entscheidungen zu treffen, gibt es bei der Gematik vor allem wegen des geplanten Gesetzes für mehr Sicherheit in der Arzneimittelversorgung (GSAV). Sobald das in Kraft tritt, bleiben der Selbstverwaltung sieben Monate, um alle Regelungen anzupassen, die bislang die Verordnung ausschließlich in Papierform vorsehen. Nach derzeitigem Zeitplan beginnt die Frist am 1. Juli 2019, ab 1. Februar 2020 könnten den Apotheken elektronische Verordnungen ins Haus flattern.

Das TSVG soll voraussichtlich im Frühjahr in Kraft treten. Der Bundesrat muss nicht zustimmen. Unter anderem sieht der Entwurf vor, dass GKV-Patienten künftig schneller Arzttermine erhalten sollen. Praxisärzte sollen mindestens 25 statt wie bisher 20 Stunden für gesetzlich Versicherte anbieten müssen. Auch sollen die bisher nach Bundesländern unterschiedlichen Telefon-Servicestellen für Termine bundesweit zu Rund-um-die-Uhr-Angeboten erweitert werden. Für die Aufnahme neuer Patienten und die Arbeit auf dem Land sollen die Ärzte Zuschläge bekommen. Doch das klassische Omnibus-Gesetz richtet sich nicht nur an die Ärzte: Das Großhandels-Fixum von 70 Cent wird darin ebenso festgeschrieben und für Rabatte an die Apotheken gesperrt. Bei Grippeimpfstoffen müssen die Krankenkassen künftig die beiden günstigsten Impfstoffe bezahlen.

Für die deutschen Apotheken führt kein Weg am digitalen Wandel vorbei. Deshalb widmet sich im März auch VISION.A, die Digitalkonferenz von APOTHEKE ADHOC, dem entscheidenden Zukunftsthema. Zu den Speakern am 20. und 21. März in Berlin gehören unter anderem Professor Dr. Jürgen Schmidhuber, einer der Väter der Künstlichen Intelligenz, dessen Algorithmen von Apple über Facebook bis Google Anwendung finden, und Professor Dr. Viktor Mayer-Schönberger, Mitglied im Digitalrat der Bundesregierung und einer der renommiertesten Experten für die digitale Weltwirtschaft.