„Freie Hand“ für Spahn

eGK offenbar vor dem endgültigen Aus

, Uhr aktualisiert am 11.05.2018 17:09 Uhr
Berlin -

Die elektronische Gesundheitskarte (eGK) steht offenbar vor dem endgültigen Aus. Während Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) sich Anfang der Woche unzufrieden über die bisherigen Fortschritte zeigte, kündigte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) an, das Projekt komplett zur Disposition zu stellen. Nun muss eine Alternative her.

„Wir haben jetzt ein zehn-, elfjähriges Experiment mit der Gesundheitskarte gemacht“, so die Kanzlerin laut Bericht der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ (FAZ) am Mittwoch auf einer Konferenz mit CDU-Kreisvorsitzenden in Berlin. Außer Kosten von 1,2 Milliarden Euro ist dabei aber bekanntlich nicht sehr viel entstanden. Deshalb spielt Merkel den Ball nun nach eigenen Angaben ins Gesundheitsministerium. Wenn Minister Spahn der Meinung sei, dass das Projekt nicht zukunftsfähig ist, dann habe er „freie Hand“, wird Merkel von der FAZ zitiert.

Spahn wiederum hatte erst Anfang der Woche seine Missbilligung über den Verlauf des Projektes Luft gemacht. „Völlig inakzeptabel“ sei es, dass die elektronische Gesundheitskarte nach insgesamt 14 Jahren Entwicklung nicht über die Phase von Modellprojekten hinausgekommen ist. Mittlerweile ist das Konzept ohnehin technisch überholt. Stattdessen hat Spahn andere Wege aufgezeigt, die nun verfolgt werden könnten.

Er wolle die digitalen Lösungen im Gesundheitsbereich mit den Plänen für ein Bürgerportal koordinieren, so der Gesundheitsminister. Damit ist bislang der digitale Zugang zu mehreren Behörden für die Bürger geplant. Diese Pläne sollen nun mit denen für die eGK kombiniert werden. „Ich will nicht, dass man eine digitale Identität für die Steuererklärung braucht, eine, um seinen Pass zu beantragen und eine dritte im Gesundheitswesen. Das müssen wir aufeinander abstimmen“, so Spahn im Interview mit der FAZ. „Die Zeit von Kartenlesegeräten an Desktop-Computern als alleinige vorgeschriebene Login-Variante ist in jedem Fall aus meiner Sicht nicht der Zugang, den sich Bürger im Jahr 2018 mehrheitlich wünschen – und vor allem auch nicht nutzen werden.”

Auch die Staatsministerin für Digitales, Dorothee Bär (CSU), zweifelt am Nutzen der eGK. „In Ländern wie Finnland lachen sich die Leute kaputt, wenn sie hören, dass wir dafür eine Karte haben“, sagte Bär dem „Tagesspiegel“. „Die speichern Informationen wie über Arztbehandlungen, Laborwerte, Krankenhausaufenthalte und Verschreibungen in einem nationalen Archiv für Arztdaten.“ Daher unterstütze sie Spahn, der sage: „Jetzt noch mal alles auf Null - auch, wenn es einen Aufschrei geben wird.“

Bisher ist aus dem ursprünglichen Plan, mit der eGK die bisherige Versichertenkarte in Deutschland zu ersetzen, nur ein Speichermedium für die Stammdaten der Patienten geworden. Darauf sind lediglich Name, Geburtsdatum, Adresse, Foto und Versichertennummer vermerkt. Nach dem jetzigen Entwicklungsstand können über die Karte weder Rezepte eingelesen, noch Krankenakten verschickt werden.

Der Handlungsdruck steigt auch, weil die relevanten Berufsstände mittlerweile voranschreiten. So wurde auf dem Deutschen Ärztetag in Erfurt am Donnerstag nach langer und kontroverser Debatte eine Änderung der Musterberufsordnung beschlossen, mit der der Weg für die Telemedizin freigemacht wurde. Ärzte können Patienten unter bestimmten Voraussetzungen künftig ohne vorherigen persönlichen Kontakt in der Praxis ausschließlich per Telefon, SMS, E-Mail oder Online-Chat behandeln.

Spahn (CDU) hatte die Entscheidung zur Aufweichung des Fernbehandlungsverbots begrüßt: „Damit helfen wir Ärzten und Patienten.“ Den Patienten würden mit Online-Sprechstunden unnötige Wege und Wartezeiten erspart. Vertreter der Ärzteorganisationen und ihrer Selbstverwaltung sowie des Deutschen Pflegerats sollen nun an einem Runden Tisch zusammenkommen, um die praktische Umsetzung des Beschlusses zu beraten: „Die neuen Möglichkeiten telemedizinischer Behandlung wollen wir jetzt auch für den Versorgungsalltag der Menschen erreichbar machen.“

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