Problem erkannt, aber nicht gelöst. So kommentieren die Pharmaverbände die Eckpunkte vom Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD).
„Das Bundesgesundheitsministerium hat endlich erkannt, dass das Hauptsache-Billig-Prinzip bei Generika die Versorgung destabilisiert hat und zu Engpässen führt“, so Bork Bretthauer, Geschäftsführer von Pro Generika. „Es ist gut, dass es jetzt gegensteuert und in einzelnen Bereichen den extremen Kostendruck lockern will. Damit geht es an die Wurzel des Problems. Das ist vor allem mit Blick auf die Kinderarzneimittel richtig, denn zuletzt war die Herstellung dieser Arzneimittel für die Unternehmen unwirtschaftlich geworden.“
Richtig sei auch, dass das Gesundheitsministerium für mehr Diversifizierung der Anbieter und Lieferketten bei zunächst einigen Wirkstoffen sorgen wolle. „Es hat erkannt, dass es keine Diversifizierung von Anbietern und Lieferketten geben kann, sofern nur ein einziger Hersteller in den Rabattverträgen berücksichtigt wird und die gesamte Versorgung sichern muss. Aus unserer Sicht sollten deshalb generell immer mehrere Hersteller einen Zuschlag bekommen. Zudem ist es wichtig, dass die aktuelle Steigerung der Herstellkosten in Rabattverträgen und im Festbetragssystem abgebildet werden.“
Allerdings seien die Eckpunkte nur der Startschuss zu einem mehrmonatigen Gesetzgebungsprozess. „Der Spardruck der letzten Jahre hat jedoch massive strukturelle Spuren hinterlassen, die nicht über Nacht beseitigt werden können. Eine Steigerung der Produktion beziehungsweise ein Ausbau von Produktionskapazitäten nimmt Monate und zum Teil sogar Jahre in Anspruch. Daher ist jetzt kurzfristig wichtig, dass alle Akteure im Gesundheitssystem gemeinsam mit Verantwortungsbewusstsein und Pragmatismus zusammenarbeiten, um die Versorgung der Patientinnen und Patienten in Deutschland sicherzustellen.“
Auch der Vorsitzende des Bundesverbands der Pharmazeutischen Industrie (BPI), Dr. Hans-Georg Feldmeier, findet, dass die Probleme der kaputten Preise erkannt wurden. „Aber die Umsetzung ist zu kurz gesprungen. Die Maßnahmen sind nämlich nur auf den Versorgungsbereich der Kinderarzneimittel eingegrenzt. Die Lieferproblematik betrifft aber die gesamte Grundversorgung. Warum werden Maßnahmen gegen den massiven Kostendruck nur bei einer einzelnen Produktgruppe ergriffen und nicht konsequenterweise bei allen? Wir haben aktuell ja nicht nur einen, sondern mit Stand heute, 336 beim BfArM gemeldete Engpässe.“
Immerhin habe Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) offensichtlich verstanden, was der BPI schon lange fordere: „Die Rabattverträge müssen so angepasst werden, dass das Lieferrisiko auf mehrere Schultern verteilt wird. Wichtig ist auch, dass immer auch ein Partner aus einem EU-Land beteiligt werden muss. Dabei bleibt jedoch unklar, welcher Anteil der Wirkstoffproduktion in der EU überhaupt gemeint ist. Und wieder stellt sich die Frage: Warum wird das auf Onkologika und Antibiotika begrenzt, wo doch auch andere Arzneimittelgruppen massiv unter Kostendruck stehen?“
Dass die Preisregeln bei bestimmten Medikamenten wie Kinderarzneimitteln verändert werden sollen, sei ein Schnellschuss, der der aktuellen Mangellage geschuldet ist. „Die GKV-Erstattung des 1,5-fachen Festbetrags mag ein erster Schritt sein, die Preisregulierung muss jedoch langfristig und tiefgreifend verändert werden. Gerade auch für Kinderarzneimittel brauchen wir langfristige Lösungen, um Präparate für diese Gruppe langfristig und auch außerhalb von Krisensituationen zu sichern.“
Auch die bessere Überwachung und das bessere Management von Lieferengpässen seien kurz gesprungen, denn dadurch letztlich nur der Mangel verwaltet, aber kein einziger Lieferengpass verhindert werde. „Insgesamt werden die Maßnahmen sehr viel Bürokratie und zusätzliche Kosten mit sich bringen, gerade wenn es um mögliche Bevorratung geht, die die Probleme nicht löst.“
Laut Dr. Hubertus Cranz, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes der Arzneimittel-Hersteller (BAH), gehen die Überlegungen in die richtige Richtung. „Allerdings dürfen aktuelle Probleme nicht allein eine Neustrukturierung des Bestandsmarktes bestimmen. Während des Gesetzgebungsverfahrens sollten langfristig stabile Strukturen geschaffen werden.“
Kritisch sieht Cranz die angedachte mehrmonatige, versorgungsnahe Lagerhaltung: „Hier besteht das Risiko, zu große Mengen vorzuhalten, die aufgrund begrenzter Haltbarkeit – wie bei den Corona-Impfstoffen – nachher verworfen werden müssen.“
Cranz begrüßt die zentrale Rolle des erst vor zwei Jahren einberufenen Beirats beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) im Zusammenhang im Lieferengpässen. „Dieser hat sich bewährt.“
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