Mit dem E-Rezept haben die Versender erstmals wieder Anschluss im Rx-Bereich gefunden. Laut Dr. Schamim Eckert wird es höchste Zeit, die Forderung nach einem Rx-Versandverbot wieder auf die Agenda zu bringen. Denn die Risiken wachsen aus Sicht der designierten hessischen Kammerpräsidentin mit jeder Packung, die aus den Niederlanden nach Deutschland verschickt wird.
Ohne Kontrolle und Regulierung könnte der Rx-Versandhandel bei zunehmender Verbreitung das Gesundheitswesen destabilisieren, so Eckert. „Ein solches System könnte das Vertrauen in die Versorgung mit Medikamenten gefährden und letztlich zu höheren Kosten und Gesundheitsrisiken führen. Es gibt also klare Argumente dafür, dass der Rx-Versand stärker reguliert oder sogar ganz verboten werden sollte, um diese Risiken zu minimieren.“
Sie führt auf, woran es aus ihrer Sicht bei den Versender hakt: So erfolge der Versand nicht aus öffentlich geprüften Apotheken heraus, wie seit 2011 eigentlich für eine Aufnahme auf die Länderliste gefordert werde, sondern aus Lagerhallen von Kapitalgesellschaften, die nicht entsprechend durch die Behörden kontrolliert würden. „Dies führt zu Bedenken hinsichtlich der Qualität und Sicherheit der Medikamente.“ Hinzu komme, dass bei der Abgabe eine direkte Beratung und Kontrolle durch eine Apothekerin oder einen Apotheker fehle. „Dies könnte zu einer höheren Rate an Komplikationen, falscher Anwendung und Interaktionen führen.“
Auch wichtige Standards würden nicht eingehalten: Beim Verkauf würden Preisvorgaben genauso missachtet wie die Temperaturvorgaben beim Versand. Dies führe dazu, dass das Solidarsystem, in das alle gesetzlich Versicherten einzahlten, ausgehöhlt werde. „Die Versender zahlen nichts in das System ein, schöpfen jedoch aus dem Pool und gefährden damit das finanzielle Gleichgewicht des Gesundheitssystems.“ Im Übrigen beteiligten sich die Versender nicht am Notdienst, was im Grunde eine Verletzung der Versorgungspflicht darstelle.
Die dadurch bedingte Bagatellisierung von Arzneimitteln könnte laut Eckert langfristig zu gravierenden Problemen führen. Sie warnt davor, dass eine Erhöhung der Verfügbarkeit ohne die notwendigen Beratungs- und Kontrollmechanismen zu einer breiten Zunahme von Suchtproblemen führen könnte, die auch das Gesundheitssystem überlasteten.
„Der professionelle Austausch zwischen Arzt, Apotheker und Patient ist essenziell, um Risiken frühzeitig zu erkennen und den sicheren Umgang mit Medikamenten zu gewährleisten“, so Eckert. Wenn Arzneimittel wie Produkte des täglichen Bedarfs behandelt würden, entfalle diese wichtige Kontrollinstanz und der Patient werde ohne fachliche Unterstützung mit den Risiken und Nebenwirkungen alleine gelassen.
Eine Zunahme von Missbrauch, Sucht und falscher Anwendung könnte aber zu einem deutlichen Anstieg von Gesundheitsproblemen führen, die das Solidarsystem weiter belasteten. „Suchtkrankheiten, psychische Störungen und Folgeschäden durch falsche Medikation verursachen nicht nur enorme persönliche Tragödien, sondern auch hohe Kosten für das Gesundheitssystem“, so Eckert.
Dies gelte umso mehr, als Arzneimittel einer deregulierten Umgebung wie „normale Konsumgüter” betrachtet und in größerem Umfang und ohne ärztliche Aufsicht konsumiert würden. Am Ende gerate auch der Staat unter Druck: „Wenn der Zugang zu Arzneimitteln unkontrolliert wird, könnte dies die Staaten und Gesundheitsbehörden in eine schwierige Lage versetzen. Sie wären mit den sozialen und gesundheitlichen Folgen von Suchtproblemen und falscher Medikamentenverwendung konfrontiert und müssten darauf reagieren. Gleichzeitig könnten sie unter Druck geraten, Lösungen zu finden, die den Missbrauch von Arzneimitteln eindämmen.“
Eckerts Fazit: „Daher ist es entscheidend, dass Arzneimittel weiterhin unter strengen Kontrollen und mit professioneller Beratung abgegeben werden, um die öffentliche Gesundheit zu schützen. Ein abschreckendes Beispiel sind hier die USA.“