Medizinalhanf

Bundesverwaltungsgericht erlaubt Cannabis-Eigenanbau dpa/APOTHEKE ADHOC, 06.04.2016 11:13 Uhr aktualisiert am 06.04.2016 18:15 Uhr

Leipzig - 

Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) in Leipzig hat ein Grundsatzurteil zum Eigenanbau von Cannabis für schwerkranke Menschen verkündet: Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) wird verpflichtet, einem schwer an Multipler Sklerose (MS) erkrankten Mann die Erlaubnis zu erteilen, Cannabis zu Hause zu züchten. 

Zuvor hatte das BfArM die Anträge des 52-jährigen Patienten wiederholt abgelehnt. Auf die Klage des Patienten hin hatte das Verwaltungsgericht Köln 2009 die Behörde verpflichtet, die Sache noch einmal neu zu entscheiden. Auch das Oberverwaltungsgericht in Münster urteilte zwei Jahre später, dass der Eigenanbau von Cannabis hier ausnahmsweise im öffentlichen Interesse liege. Doch das BfArM blieb bei seiner Meinung.

Allerdings: Nur mit der Hanfpflanze ließen sich die Symptome der Krankheit lindern, kein anderes Medikament helfe, so der Erkrankte. Seit 1985 ist er an MS erkrankt; seit 1987 behandelt er die Krankheit mit Cannabis. Vom Vorwurf des unerlaubten Cannabis-Besitzes wurde er bereits 2005 freigesprochen.

Ihm stehe keine geeignete Therapiealternative zur Verfügung, bestätigten die Richter in Leipzig. Medizinalhanf aus der Apotheke scheide aus Kostengründen aus: Dort kostet ein Gramm Medizinalhanf mindestens 15 Euro. „Er braucht pro Tag drei bis vier Gramm“, berichtet seine Lebensgefährtin Gabriele Gebhardt. 24 Pflanzen kultiviere das Paar zu Hause. Sie kämen damit auf Kosten von einem Euro pro Gramm.

Sie würden sich das Cannabis auch liebend gern aus der Apotheke holen. „Wenn wir das Geld hätten. Haben wir aber nicht“, sagt Gebhardt. Die Erwerbsunfähigkeitsrente des Erkrankten reiche nicht aus, die Kosten zu finanzieren, bestätigten die Richter. Die Krankenkasse des Patienten habe die Übernahme wiederholt abgelehnt. Den Richtern zufolge ist ihm eine erneute Klage gegen die Entscheidung der Krankenkasse nicht zuzumuten.

Anders als in den Urteilen zuvor wurde das BfArM nun verpflichtet, dem Patienten den Anbau zu erlauben. Allerdings kann die Behörde die Erlaubnis weiterhin mit Nebenbedingungen verknüpfen.

Der Mannheimer ist Patient des Arztes Franjo Grotenhermen, der zugleich Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Cannabis als Medizin (ACM) ist. „Es gibt keine andere Substanz, die ein so breites Anwendungsspektrum hat wie THC“, erklärt der Mediziner. Die große Bandbreite ist zugleich ein Problem von Cannabis. Es fehlen wissenschaftliche Studien, um die Wirksamkeit bei den einzelnen Indikationen zu belegen. Alles zu erforschen, würde Jahrzehnte dauern. „Die Patienten sind weiter als wir Ärzte“, sagt Grotenhermen.

Im Juli 2014 erlaubte das Kölner Verwaltungsgericht drei Patienten, selbst Cannabis anzubauen. Zu den Voraussetzungen gehöre, dass der schwer kranke Patient austherapiert sei, es für ihn keine andere Behandlungsalternative zu Cannabis gebe und Apotheken-Cannabis unerschwinglich sei. Das BfArM legte Berufung ein.

Derweil plant Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU), Cannabis verordnungs- und erstattungsfähig zu machen. Apotheken sollen künftig nicht nur Fertigarzneimittel und Rezepturen, sondern auch Cannabisblüten und Cannabisextrakte in pharmazeutischer Qualität abgeben dürfen. Der Anbau soll in Deutschland erlaubt und dem BfArM als Cannabisagentur unterstellt werden.

Der Gesetzesentwurf soll chronisch Kranken den Zugang zum Cannabis aus der Apotheke erleichtern – natürlich in „eng begrenzten Ausnahmefällen“, wie es heißt. Der Entwurf regelt auch die Kostenübernahme durch die Krankenkassen. Bis das Gesetz in Kraft tritt, wird noch einige Zeit vergehen. Bis dahin wird der Mannheimer MS-Patient sein Cannabis weiter zu Hause anbauen – ab jetzt legal.