„Vorräte reichen keine zwei Wochen“

Dringlichkeitsliste: Großhändler lassen Lauterbach abblitzen

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Berlin -

Um einem Mangel an Kinderarzneimitteln in diesem Herbst und Winter vorzubeugen, hat Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) eine Dringlichkeitsliste erstellt. Mit den rund 400 Arzneimitteln sollen sich die Großhändler bevorraten. Doch die fühlen sich zu Unrecht unter Druck gesetzt – in einem offenen Brief schlägt der Branchenverband Phagro daher jetzt Alarm: „Die Vorräte reichen keine zwei Wochen.“

Der Großhandel soll sich unter anderem mit Amoxicillin, Amoxicillin/Clavulansäure, Cefaclor, Cefadroxil, Cefixim, Cefuroxim, Clarithromycin, Erythromycin, Phenoxymethylpenicillin, Salbutamol und Trimethoprim/Sulfamethoxazol bevorraten. Außerdem sind Ibuprofen, Paracetamol und Xylometazolin-haltige Arzneimittel auf der Dringlichkeitsliste zu finden. Allesamt Präparate, die schon im vergangenen Winter knapp waren. Und auch jetzt hat sich die Lage kaum entspannt.

„Wir haben die Beschaffungsmöglichkeiten und die Verfügbarkeiten der circa 400 Arzneimittel der wirkstoff- und darreichungsbezogenen BfArM-Dringlichkeitsliste gründlich geprüft und müssen Ihnen im Ergebnis mitteilen, dass die Versorgungssituation für diese Arzneimittel bereits jetzt nicht nur angespannt, sondern aus unserer Sicht äußerst prekär ist“, so der Phagro in seiner Antwort auf das Schreiben von Lauterbach.

„Da es objektiv unmöglich ist, diese Arzneimittel bedarfsgerecht bei der pharmazeutischen Industrie zu beschaffen, geschweige denn Lagerbestände aufzubauen, kann der vollversorgende pharmazeutische Großhandel schon heute seiner gesetzlichen Vorhaltungsverpflichtung gemäß § 52b Abs. 2 S. 2 Arzneimittelgesetz für diese Dringlichkeits-Arzneimittel nicht entsprechen“, schreibt der Phagro.

Auch das Angebot einer Gegenfinanzierung führt laut Phagro nicht weiter: „Aufgrund der fehlenden beziehungsweise prekären Verfügbarkeiten und der volatilen Spotmarkt-Situation, gibt es auch keine hinreichende Grundlage für die Kalkulation der für die Bereitstellung dieser Arzneimittel notwendigen Aufwendungen des Großhandels.“

Importe sind keine Lösung

Und überhaupt seien Importe „kein dem Großhandel grundsätzlich obliegendes Instrument der Regelversorgung zur Erfüllung des notwendigen Versorgungsumfanges“. Klar und deutlich: „Damit kann aus unserer Sicht keine nennenswerte Verbesserung der Versorgungssituation erreicht werden.“

Um wenigstens „Kleinstmengen“ beschaffen zu können, seien „die bestehenden (haftungs-)rechtlichen und bürokratischen Hürden sehr kurzfristig abzubauen“. Außerdem müssten „unter Berücksichtigung der aufwands-, kosten- und preisbezogenen Folgen“ und „unter Einbeziehung aller Beteiligten“ die Regelungen der Notimporte nach § 79 Abs. 5 AMG vereinfacht werden.

„Wir bitten Sie, die Ursachen der Liefer- und Versorgungsengpässe zu bekämpfen, indem Sie die pharmazeutische Industrie durch eine Förderung der Herstellung und Entwicklung von Arzneimitteln unterstützen und die für ein bedarfsgerechtes Inverkehrbingen von Arzneimitteln notwendigen Aufwendungen aller an der Arzneimittelversorgung Beteiligten, d.h. von Industrie, Großhandel und Apotheken adäquat gegenfinanzieren“, so der Phagro.

Bestände reichen keine zwei Wochen

Die Mitgliedsunternehmen hätten auf der Grundlage ihrer „stabilen, vertrauensvollen und intensiven Lieferantenbeziehungen“ mit den Herstellern eine Analyse erstellt, die „kurzfristig keine andere Einschätzung der Verfügbarkeiten zulässt“. Und weiter: „Der Beschaffungsmarkt für diese Arzneimittel ist ein Spotmarkt geworden, der, im Gegensatz zu einem Terminmarkt, keine mittel- oder langfristige Beschaffungs-, Liefer- und Lagerhaltungskalkulationen zulässt.“

Für 85 Prozent der rund 400 Arzneimittel der Dringlichkeitsliste steht derzeit ein Bedarf von maximal zwei Wochen zur Verfügung. „Der Großhandel kann weder den durch das Lieferengpass-Gesetz (ALBVVG) eingeführten Bedarf für vier Wochen noch den grundsätzlichen gesetzlich vorgegebenen Bedarf von zwei Wochen beschaffen und vorhalten“, mahnt der Phagro.

Bei lediglich 10 Prozent der als dringlich eingestuften Arzneimittel sieht der Phagro noch Chancen, Beschaffung und Lagerhaltung weiter zu intensivieren. Alle weiteren Möglichkeiten seien vollständig ausgeschöpft.

Versorgungslage ist prekär

Für den Phagro die aktuelle Versorgungssituation bereits „äußerst prekär“ – der Herbst und Winter stehen noch bevor. Fest steht: Mehr als ein Viertel der Dringlichkeits-Arzneimittel konnte in den vergangenen Monaten vom Großhandel gar nicht beschafft werden, weil schlichtweg keine Ware zur Verfügung steht. Einige Arzneimittel wurden mit außer Vertrieb gekennzeichnet oder werden nicht mehr in den Verkehr gebracht. Dies trifft auf ein Achtel der gelisteten Präparate zu.

Bei mehr als der Hälfte der Dringlichkeits-Arzneimittel lieferten die Hersteller nur 20 Prozent der vom Großhandel angeforderten Ware aus, so der Phagro weiter. Und auch alternative Beschaffungswege können, wenn überhaupt, nur im Einzelfall eine Verbesserung der angespannten Lage erreichen.

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