Jahr für Jahr werden rund eine Milliarde leichte Gesundheitsstörungen verzeichnet, die in erster Linie in der Selbstmedikation behandelt werden können. Doch wie sieht die Evidenzlage für Empfehlungen aus? Braucht man überhaupt Studien oder reicht die Kommunikation mit dem Patienten aus? Dr. Martin Weiser, Apotheker und Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands der Arzneimittel-Hersteller (BAH), klärte bei der Expopharm auf.
„Jede zweite Packung, die in der Apotheke abgegeben wird, ist ein OTC-Präparat“, berichtete Weiser. Neben der Studienlage des Präparates sei auch der Wunsch des Patienten ein wichtiger Faktor, den es zu berücksichtigen gelte. Wie sieht dieses Anliegen aus? „Eine Lösung für sein spezifisches Problem, eine Therapievielfalt“, antwortet Weiser.
Die Evidenz für die empfohlenen Präparate könne sich zum einen an der aktuellen Studienlage beziehungsweise an Literatur orientieren (externe Evidenz), zum anderen aber auch an der klinischen Erfahrung des Arztes und Patientenpräferenzen (interne Evidenz).
Der Königsweg sei die Synthese aus externer und interner Evidenz: „Für mich stellen externe und interne Evidenz keinen Widerspruch dar“, sagt Weiser. Den Erfolg in der Selbstmedikation definiert der Apotheker in der Kombination der drei Faktoren. Vor allem komme es auf die Kommunikation an: Nur das Präparat, dessen Hintergründe man dem Patienten vermitteln könne, wirke auch. Deshalb empfiehlt er, den Mensch in den Mittelpunkt zu stellen: „Nur so hat man Erfolg.“
Die Beratung in der Offizin zu apotheken- und verschreibungspflichtigen Arzneimitteln ist laut Weiser im Zeitalter des Internets aktueller denn je. Vor allem, weil die mündigen Patienten die gewünschten Informationen zunächst in der virtuellen Welt recherchierten. Er stellte die Kommunikationskompetenz des Pharmazeuten in den Fokus: „Dr. Google kann vieles mit Algorithmen klären, aber den Apotheker vor Ort kann er nicht ersetzen. Patienten brauchen Zuwendung.”
Aktuelle Zahlen des BAH zeigen, dass die Menschen den wissenschaftlichen Standard in Bezug auf ihre Therapie unterschiedlich gewichten: Während fast die Hälfte der Befragten die Erfahrung des Arztes für maßgeblich hält, finden nur 12 Prozent der Teilnehmer den aktuellen Erkenntnisse entscheidend. Für 38 Prozent spielen sowohl externe und interne Evidenz eine gleichwertige Rolle ein.
Die Selbstmedikation bietet für Patienten einen niedrigschwelligen Zugang zur Beratungskompetenz des Apothekers. So können „kleinere“ Beschwerden schnell gelindert werden und zu einer Zeitersparnis durch Wegfall von Wegen und Wartezeiten beim Arzt führen, so Weiser. Neben dem individuellen Nutzen könnten sich auch gesellschaftliche Vorteile ergeben, dies betreffe insbesondere die Kosteneinsparungen, die aufgrund guter Beratung möglich seien: Die Gesetzliche Krankenversicherung (GKV) werde demnach um 21 Milliarden Euro entlastet. Aber auch Arbeitgeber würden von der Selbstmedikation profitieren, da indirekte Kosten infolge von Abwesenheit der Arbeitnehmer vermieden werden würden.
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