Versandapotheken

IHK-Posten für DocMorris-Chef?

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Berlin -

Die Industrie- und Handelskammer (IHK) ist bei vielen Apothekern nicht sonderlich beliebt. Das liegt gar nicht an der IHK selbst, sondern an der Pflichtmitgliedschaft, der die Apotheker zusätzlich zu ihrer Apothekerkammer unterliegen. Die IHK Aachen allerdings hat den Zorn der Apotheker unmittelbar auf sich gezogen: Sie will DocMorris-Chef Olaf Heinrich zum ehrenamtlichen Mitglied in den Fachausschuss für Außenwirtschaft machen. Bei der morgigen Vollversammlung dürfte recht munter über die Personalie diskutiert werden.

In den Fachausschüssen beraten die ehrenamtlichen Mitglieder aus der Wirtschaft die bei der IHK hauptamtlich zuständigen Mitarbeiter. Heinrich wurde aufgrund seiner Expertise schon im vergangenen August für eine solche Aufgabe vorgeschlagen. Doch die Sache wurde damals zurückgestellt, weil es in der Vollversammlung Widerstände gab.

Namentlich Gabriele Neumann – einzige Apothekerin unter den 65 Mitgliedern der Vollversammlung – wies auf die laufenden Gerichtsverfahren von DocMorris sowie verjährte rechtskräftige Ordnungsgeldbeschlüsse gegen die Versandapotheke hin. Die Personalie Heinrich wurde zurückgestellt, man wollte zunächst den Ausgang des EuGH-Verfahrens zu Rx-Boni abwarten. Da dieses im Oktober zugunsten der Versandapotheke ausging, wird die damalige Empfehlung bei der morgigen Vollversammlung wieder als aktuell behandelt.

Diesmal konnte Neumann, Inhaberin der Karls-Apotheke und Vorsitzende des örtlichen Apothekerverbands in Aachen, nichts dagegen unternehmen. Die Personalie Heinrich bleibt auf der Tagesordnung. Neumann hat die Sache aber unter den Kollegen publik gemacht und zudem Lutz Geilenkirchen, Chef des privaten Großhändlers Otto Geilenkirchen, eingespannt. Als dieser sich in einem offenen Brief an IHK-Präsident Bert Wirtz und alle Kunden über die geplante Besetzung beschwerte, gingen etliche Protestanrufe bei der IHK ein.

IHK-Hauptgeschäftsführer Michael Bayer musste zur Kenntnis nehmen, wie emotional aufgeladen das Thema bei den Apothekern ist. Der Entscheidung der Vollversammlung kann und will er nicht vorgreifen. Er gehe aber davon aus, dass diese nach den zahlreichen geführten Gesprächen mit viel Fingerspitzengefühl entscheiden werde, sagte er gegenüber APOTHEKE ADHOC. Der Vorstand um Wirtz wird sich in der Diskussion des Tagesordnungspunktes äußern und vermutlich auch positionieren.

Die Vollversammlung trifft sich unregelmäßig etwa halbjährlich. Sie repräsentiert die 75.000 Mitglieder der IHK, von denen 377 Apotheker sind. Von außen betrachtet sind die Apotheker nur eine von vielen Branchen, die mit der Konkurrenz des Versandhandels zu schaffen haben. Zudem ist DocMorris in der Region Aachen stark engagiert, sei es in Sportsponsoring oder sozialen Projekten. Nicht nur der Briefkasten von DocMorris steht in Aachen, etwa die Hälfte der 600 Mitarbeiter der Versandapotheke lebt IHK-Geschäftsführer Bayer zufolge in der Region Aachen. Zudem wird Heinrich als engagierter und umtriebiger Unternehmer geschätzt.

Ob der Vorstand morgen an seiner früheren Empfehlung festhält, bleibt abzuwarten. Bayer hält sich bewusst bedeckt. Er weist allerdings darauf hin, dass seit der vorherigen Vollversammlung nicht nur der EuGH sein Urteil gefällt hat, sondern Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) auch einen Gesetzentwurf zum Verbot des Rx-Versandhandels auf den Weg gebracht habe. Auch dies werde in die Diskussion einfließen.

Nicht begeistert ist man bei der IHK, dass Lutz Geilenkirchen seinen Brief innerhalb der Apothekerschaft öffentlich gemacht hat. Zwar betont der Großhandelschef, es gehe ihm nicht um die Person Olaf Heinrich; dennoch war das Schreiben aus Sicht der IHK nicht dazu geeignet, die Diskussion zu versachlichen.

Geilenkirchen schrieb, er könne „beim besten Willen nicht nachvollziehen, warum die IHK Aachen den CEO eines ausländischen Versandkonzerns, der nicht Mitglied der IHK ist, für einen Fachausschuss vorschlägt“. Für die Apotheker als IHK-Pflichtmitglieder müsse das „wie ein Schlag ins Gesicht wirken“.

Für Geilenkirchen passt das Ganze nicht zu den sonstigen Aktivitäten der IHK: „Sie fördern Aktionen wie ‚Heimat Shoppen‘, engagieren sich gegen Leerstände von Ladenlokalen in den Innenstädten und unterstützen die Versorgung der ländlichen Bevölkerung durch lokale Händler. Und jetzt protegieren Sie einen Konzern, der im Gegensatz zu den öffentlichen Apotheken keine Notdienste versieht, keine Rezepturdienstleistungen bietet oder Arzneimittelrückrufe abwickelt und sich nicht an die Arzneimittelpreisverordnung hält.“

Die öffentlichen Apotheken leisteten all das, bildeten junge Mitarbeiter aus und böten sichere Arbeitsplätze – in der Mehrzahl für Frauen. Bei Prävationskampagnen engagierten sich die Apotheken und stellten nicht zuletzt die Arzneimittelversorgung sicher.

Geilenkrichen bittet Wirtz nachdrücklich, das Vorhaben noch einmal zu überdenken. „Es geht mir wirklich nicht darum, irgendwelche ‚Pfründe‘ zu sichern und ich bin der Letzte, der sich vor neuen technischen Möglichkeiten verschließt. Wenn aber sowieso schon ein ungleicher, man könnte auch sagen unfairer Wettbewerb besteht, dann müssen doch die dabei benachteiligten (Ihre Kammermitglieder, hunderte Apotheken) nicht noch provoziert werden“, schreibt Geilenkirchen.

Zum Schluss hat er noch ein anschauliches Beispiel, um Wirtz zu erklären, wie der Vorgang auf viele Apotheken wirken müsse: Wie wohl der örtliche Einzelhandel reagieren würde, wenn die IHK Aachen den CEO von Amazon für einen Fachausschuss vorschlagen würde.

Zwischenzeitlich gab es Kontakt zwischen Geilenkirchen und der IHK. Auch mit Apothekerin Neumann hat sich die Handelskammer in Verbindung gesetzt. Ob der DocMorris-Chef nach alldem in den Ausschuss gewählt wird, entscheidet sich morgen Abend.

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