In den Berliner Sondierungsgesprächen zur Jamaika-Koalition will die CSU mit harten Bandagen für das Rx-Versandverbot kämpfen. In Bayern hingegen lässt sich die Junge Union (JU) von der niederländischen Versandapotheke DocMorris ihre Landesversammlung in Erlangen sponsern. Die CSU-Nachwuchsorganisation sieht darin kein Problem: „Wir treffen unsere politischen Entscheidungen unabhängig von finanzieller Unterstützung“, betont JU-Sprecher Stefan Ebner. Dem Rx-Versandhandel steht die CSU-Jugend aber – entgegen der Parteilinie – offen gegenüber.
Auf ihrem Landesparteitag ging die JU Bayern hart mit CSU-Chef Horst Seehofer ins Gericht. Die Nachwuchsorganisation forderte einen personellen Neubeginn und feierte Markus Söder bereits als Nachfolger im obersten CSU-Parteiamt und als neuen Ministerpräsidenten des Freistaates. Wer dabei genau hinsah, erkannte für Parteitage ein ungewöhnliches Sponsoring: Auf den Lanyards im klassischen CSU-Blau für alle Delegierte prangte in Grün das DocMorris-Logo, daneben „#LV2017“ für Landesversammlung und „Erlangen“ als Veranstaltungsort sowie das Logo der JU Bayerns.
„Das ist kein politisches Statement“, wehrt Ebner auf Nachfrage alle politischen Zusammenhänge ab. Man habe von DocMorris eine Sponsoringanfrage erhalten und diese angenommen. „Wir freuen uns, wenn uns jemand unterstützt“, so Ebner. Anders als die CSU habe die JU Bayerns aber noch keine konkreten Beschlüsse zum Thema Rx-Versandhandel gefasst. Im auf der Landesversammlung vorgestellten Leitantrag setzt sich der CSU-Nachwuchs für eine stärkere Nutzung der Telemedizin zur Sicherung der Versorgung auf dem Land ein.
Verstädterung und Zersiedelung des ländlichen Raums seien ein weltweit zu beobachtendes Phänomen, heißt es darin. In den 1950er-Jahren hätten weniger als 30 Prozent der Weltbevölkerung in Städten gelebt. Inzwischen habe der Anteil der im urbanen Umfeld lebenden Menschen 50 Prozent erreicht. Auch in Bayern werde in manchen Regierungsbezirken mit teilweise erheblichen Bevölkerungsrückgängen gerechnet. In der Wirtschaft vollziehe sich unter den Stichworten „Industrie 4.0“ und „Internet of things“ eine massive Digitalisierung und Automatisierung in nahezu allen Bereichen.
Bayern bereite seine Unternehmer aktiv auf die anstehenden Herausforderungen vor und unterstütze dabei besonders die mittelständischen Unternehmen. Staatliche Stellen sollten die Möglichkeiten neuer Technologien frühzeitig selbst einsetzen und entsprechende Rahmenbedingungen schaffen. „Mögliche Schwerpunkte für ein Flächenland wie Bayern sind zum Beispiel die Telemedizin (‚digitale Sprechstunde‘) und die individuelle Mobilität basierend auf flächendeckendem autonomem Fahren von Aschaffenburg bis Garmisch-Partenkirchen“, so der Leitantrag. Der Staat müsse eine Vorbildfunktion einnehmen und in der Digitalisierung vorangehen.
Zur Arzneimittelversorgung findet sich im Leitantrag keine konkrete Aussage der CSU-Jugend. Die geforderte Vorbildfunktion bei der Digitalisierung beziehe sich allerdings auch auf den Ausbau der Telemedizin, bestätigt Ebner: „Um die ländlichen Räume zu stärken, brauchen wir überall medizinische Versorgung.“ Für den Arzneimittelsektor sollten das in erster Linie die Apotheken vor Ort übernehmen – aber: „Die JU hat aber kein Riesenproblem, wenn es zusätzlich Versandhandel mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln gibt.“
Das sieht die Mutterpartei bislang komplett anders: Erst vergangene Woche machten sich die CDU/CSU-Gesundheitsminister der Länder in einem Schreiben an CDU-Chefin Angela Merkel, CDU-Generalsekretär Peter Tauber und Hessens Ministerpräsidenten Volker Bouffier für das Rx-Versandverbot stark: „Der Versandhandel verschreibungspflichtiger Arzneimittel stellt keine flächendeckende und 24-stündige Versorgung, auch an Sonn- und Feiertagen, der Bürgerinnen und Bürger sicher. Er ist daher zu untersagen.“
Immer wieder hatten sich zudem in der monatelangen und dann gescheiterten Diskussion über die Konsequenzen aus dem EuGH-Urteil insbesondere CSU-Politiker vorbehaltlos hinter Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhes (CDU) Gesetzentwurf und die ABDA-Forderung gestellt. Noch vor Gröhe hatte Bayerns Gesundheitsministerin Melanie Huml (CSU) einen Gesetzentwurf zum Rx-Versandverbot in den Bundesrat eingebracht und dort mithilfe von SPD-regierten Ländern sogar eine Mehrheit erkämpft.
Und nicht zuletzt: Im Bundestagswahlkampf hatte die CSU mit Verweis auf ihr Nein zum Rx-Versandhandel um Spenden bei Apothekern geworben: „Liebe Apotheker“, hieß es dort, „wir setzen uns für ein Verbot des Versandhandels mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln in Deutschland ein. Sie können sicher sein, dass wir diese Forderung im Gegensatz zu anderen Parteien nach der Wahl durchsetzen werden“, verspracht Seehofer. Darunter war ein einminütiges Video mit CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer zu sehen: „Wir brauchen die Apotheke vor Ort.“
Die CSU sage „Danke für das herausragende Engagement“ der Apotheker und anderer Heilberufe für die „Menschen in unserem Land“. Apotheken seien ein „unersetzbares Standbein“ der Versorgung vor Ort. Deshalb wolle die CSU den Versandhandel mit rezeptpflichtigen Arzneimitteln verbieten. „Wir stehen zur Apotheke“, so Scheuer weiter. „Danke für den wertvollen Dienst.“ Eine flächendeckende Versorgung mit Apotheken sei unabdingbar. „Wir wollen sicherstellen, dass Apotheken auch außerhalb der Ballungsräume existieren können.“
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