Als früheren FDP-Gesundheitspolitiker kennen viele Apotheker Lars Lindemann. Seit 2012 führt er den Spitzenverband der Fachärzte Deutschlands (SpiFa), von dessen Arbeit und Zielen dagegen vielfach nur vage Vorstellungen existieren. Wer ist also der neue Partner von DocMorris und was steckt hinter der angekündigten Zusammenarbeit? Eine Analyse.
Der SpiFa wurde 2012 gegründet und geht auf die „Potsdamer Runde“ zurück, einen informellen Gesprächskreis von Ärztevertretern unterschiedlicher Spezialisierung. Als Dachverband von derzeit 31 Berufsverbänden vertritt der SpiFa die übergeordneten Interessen der Fachärzte – ein Hauptzweck ist der Abschluss von Verträgen zur Besonderen Versorgung nach § 140a Sozialgesetzbuch (SGB V). Mit zusätzlichen Leistungen beziehungsweise strikter Einhaltung von Behandlungspfaden können die Mediziner bei den Kassen auf der Basis von entsprechenden Vereinbarungen zusätzliche Gelder abgreifen.
Ursprünglich war dabei eine Kooperation mit dem Deutschen Hausärzteverband (DHÄV) vorgesehen, der mit der Hausärztlichen Vertragsgemeinschaft (HÄVG) bereits über eine entsprechende Konstruktion verfügt. Nach früheren Plänen sollte der SpiFa sogar 51 Prozent der Anteile an der Tochterfirma Pro Versorgung übernehmen. Doch dem Vernehmen nach konnte der damalige Hauptgeschäftsführer Eberhard Mehl seinen Vorsitzenden Ulrich Weigeldt nicht überzeugen. Herausgekommen sind inzwischen verschiedene regionale Hausarztverträge.
So gründete der SpiFa 2017 die Ärztliche Vertragsgemeinschaft Deutschland (ÄVGD), die mittlerweile eine Handvoll Selektivverträge ausgehandelt hat. Das Prinzip ist dabei stets dasselbe: Gemeinsam mit dem jeweiligen Berufsverband gründet die SpiFa-Firma ein Joint Venture, an dem beide Partner 50 Prozent halten und über das die Verträge dann aufgelegt werden. Der Einstiegsbeitrag von 50.000 Euro stellt kleinere Facharztverbände allerdings mitunter eine Herausforderung dar.
Mit den Apothekern als Partnern könnte Lindemann sein Netzwerk nicht nur auf breitere Füße stellen, sondern den Kassen auch zusätzliche Services rund um das Thema Arzneimitteltherapiesicherheit (AMTS) anbieten. Nachdem die ABDA schon 2017 abgesagt hat, weil sie die alleinige Hoheit über das Thema behalten will, ist sich der SpiFa jetzt mit DocMorris einig geworden.
Schnell wurden nach Bekanntgabe der Kooperation Warnungen laut, dass es den beiden Partnern in Wirklichkeit nicht um die Versorgung, sondern nur um die Steuerung von Rezepten gehe. Lindemann, der sich anfangs überhaupt nicht zu Details äußern wollte, sah sich veranlasst, dann doch noch eine Erklärung abzugeben.
Was aber ist dran an den Spekulationen? Einerseits gilt das Zuweisungsverbot nur in der Regelversorgung; außerdem hat der Bundesgerichtshof (BGH) erst vor kurzem dem Gesetzgeber ins Stammbuch geschrieben, die Anwendbarkeit auch für ausländische Versender noch einmal explizit klarzustellen. Das soll jetzt mit dem Apothekenstärkungsgesetz passieren, doch noch ist unklar, wann und in welcher Form das Gesetz kommt.
Auf der anderen Seite ist durchaus wahrscheinlich, dass es DocMorris bei der Kooperation um mehr geht als nur um die Rezepte einiger weniger Chroniker in Betreuungsprogrammen. Für die Versandapotheke wäre die Kooperation mit dem SpiFa eine Chance, bei den Verträgen zur Besonderen Versorgung überhaupt an Bord zu kommen. Dies ist umso wichtiger, als der Deutsche Apothekerverband (DAV) die Hoheit im aktuellen Gesetzgebungsverfahren für sich reklamiert.
Zuletzt hatte CEO Walter Oberhänsli bei der Generalversammlung von Zur Rose noch einmal skizziert, dass er eine zentrale Rolle im Apothekenmarkt der Zukunft haben will: DocMorris soll irgendwann nicht mehr nur Versandapotheke sein, sondern zu einer Gesundheitsplattform werden, die Ärzte, Apotheker und andere Leistungserbringer mit Patienten und Kassen vernetzt. Dabei spielen wohl auch Verträge mit Versicherungen eine wesentliche Rolle – bis hin zu speziellen Tarifen, bei denen die Versicherten ihre Wahlfreiheit aufgeben, wo sie ihre Rezepte einlösen.
Was Oberhänsli aber brauchen dürfte, um als Vertragspartner überhaupt in Frage zu kommen, sind Apotheken vor Ort, die die Akutversorgung und Betreuung übernehmen. Mit dem SpiFa könnte er seinem Ziel ein Stück näher kommen: Zusätzliche Honorare aus dem Sondertopf der Besonderen Versorgung könnten ein Anreiz sein, mit dem sich erste Apotheken an Bord locken lassen. Und mit einer annähernden Flächendeckung könnte DocMorris wiederum für die Kassen interessanter werden.
Doch es gibt eine Reihe von Unwägbarkeiten. Auch wenn man bei DocMorris – so ähnlich wie früher bei Celesio – gerne behauptet, exzellente Kontakte zu Politikern zu pflegen: Ob sich tatsächlich eine entsprechende Anzahl findet, die ihre Vorbehalte über Bord wirft, ist vollkommen unklar.
Und auch bei Ärzten und Krankenkassen wird DocMorris keine offenen Türen einrennen. Mit den Hausärzten in Nordrhein hatte DocMorris vor einigen Jahren eine umstrittene Kooperation gestartet; und vollkommen offen ist, wie die Vertreter der Allgemeinmediziner auf die neue Kooperation mit den Fachärzten reagieren werden. Auch der NAV Virchowbund und der Medi-Verbund als assoziierte Mitglieder des SpiFa werden Fragen zum neuen Partner haben, zumal gerade Medi durchaus ähnliche Ziele verfolgt und in Baden-Württemberg schon deutlich weiter ist.
Vor allem aber muss DocMorris das Leistungsversprechen einhalten. AMTS ist für DocMorris keineswegs ein Selbstläufer: Schon die Technik zum E-Rezept, die die Versandapotheke mit der Tochterfirma eHealth-Tec einbringen will, ist mittlerweile fast fünf Jahre alt. Vom Modellprojekt der Techniker Krankenkasse, bei der die Software ebenfalls zum Einsatz kommt, sind bislang keine Erfolgsmeldungen zu vernehmen. Und dass mit Maximilian Achenbach jetzt auch noch der bei Zur Rose verantwortliche Projektleiter von Bord geht, mach die Sache sicher nicht leichter.
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