Im Sommer will DocMorris in einer leerstehenden Apotheke im baden-württembergischen Hüffenhardt einen Arzneimittelautomaten aufstellen. Das wäre ein Novum – die niederländische Versandapotheke will noch keine Details verraten, um ihre Gegner nicht zu munitionieren. Vom zu erwartenden Gegenwind will sich der Bürgermeister der abgelegenen 200 Seelen-Gemeinde, Walter Neff, nicht beeindrucken lassen: „Dem sehe ich ruhig entgegen. Wir nehmen niemandem etwas weg. Wir schaden niemandem.“
„Ich sehe der zu erwartenden Gegenwehr der Apothekerschaft gelassen entgehen“, sagt Neff. „Seit einem Jahr ist die Apotheke geschlossen. Niemand hat sich dafür interessiert.“ Es habe für die Nachfolge von Apotheker Reinhold Fuchs nur wenige Bewerber gegeben, so Neff. Zu einem Abschluss sei es leider nicht gekommen. Auch Landesapothekerkammer und -verband hätten sich nicht für Hüffenhardt interessiert, beklagt Neff.
Die Brunnen-Apotheke versorgte über 30 Jahre lang nicht nur die 2000 Einwohner Hüffenhardts und eine angrenzende Gemeinde mit nochmals 1500 Menschen. Das 135 Plätze umfassende Wohn- und Pflegeheim der Gemeinde gehörte ebenfalls zur Stammkundschaft.
Als DocMorris auf ihn zugekommen sei, habe er die Chance ergriffen, rechtfertigt der Bürgermeister die Kooperation mit der Versandapotheke. Die Räumlichkeiten will die Gemeinde auf eigene Kosten herrichten. Die Wände müssten gestrichen werden; außerdem soll ein neuer Boden verlegt werden, der für die Aufstellung des Arzneimittelautomaten geeignet ist.
Mehr will Bürgermeister Neff zum DocMorris-Deal nicht verraten. Ob er die Hintergründe kennt, lässt er offen: „Ich bin kein Arzneimittelexperte.“ Zur rechtlichen Seite könne er nichts sagen. Er habe allerdings bereits Wirtschafts- und Sozialministerium über die Pläne informiert. Nur so viel kann Neff verraten: Die Gemeinde steckt kein eigenes Geld in die Sache. Es gibt auch keine staatlichen Fördermittel für die DocMorris-Investition in sechsstelliger Größenordnung. Die Brunnen-Apotheke werde zu marktüblichen Konditionen an den Versender aus den Niederlanden vermietet.
Auch bei DocMorris gibt man sich zugeknöpft. Technische und rechtliche Einzelheiten zur Aufstellung des Arzneimittelautomaten soll es erst unmittelbar vor der Eröffnung geben. Schließlich will man den Gegnern der DocMorris-Aktion so wenig Zeit wie möglich für rechtliche Schritte lassen.
Vom Sommer an sollen die Kunden in einem schalldichten Videoterminal Kontakt zum pharmazeutischem DocMorris-Personal aufnehmen können, das von Heerlen in den Niederlanden aus Patienten berät und nach Prüfung des Rezepts die Medikamente automatisch ausgeben will. Ein Mitarbeiter vor Ort soll das System erklären. Mehr ist nicht bekannt.
Beim Apothekerverband geht man davon aus, dass es zum Rechtsstreit kommen wird. Insbesondere die Vorschrift, dass dem Apotheker das Rezept im Original vorliegen muss, lasse sich nicht umgehen. „Das wäre nicht zulässig.“ Bei der ABDA in Berlin hält man sich mit Stellungnahmen ebenfalls zurück: „Wir haben große Zweifel, dass das rechtlich zulässig ist“, so ABDA-Sprecher Reiner Kern. Die rechtliche Prüfung obliege aber dem Regierungspräsidium in Karlsruhe.
Dort hat sich DocMorris aber auch noch nicht gemeldet. „Uns liegt kein Antrag vor“, berichtet ein Sprecher der Aufsichtsbehörde. Man werde das Vorhaben gewissenhaft prüfen – wenn es auf dem Schreibtisch liege. Dabei ist noch nicht einmal klar, ob DocMorris für den Arzneimittelautomaten in der Brunnen-Apotheke eine Genehmigung nach der Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO) beantragt und benötigt.
Vorbild für DocMorris könnte Visavia sein. Rowa hatte 2007 mit seinen Terminals für Furore gesorgt, die per Videokonferenz Kontakt mit einem Apotheker herstellten. Das Gerät konnte Rezepte einlesen; über einen angeschlossenen Kommissionierautomaten wurden die Medikamente ausgegeben. Die Abgabe wurde vom Apotheker überwacht und musste von diesem freigegeben werden.
Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) verbot die Abgabe von Rx-Medikamenten über den Automaten unter anderem wegen ungenügender Dokumentationspflichten im Jahr 2010. Ab Sommer 2012 gab es noch einmal ein Modellprojekt mit vier Apotheken in Rheinland-Pfalz. Rowa hatte die damalige Gesundheitsministerin und heutige Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) für das Projekt gewinnen können.
Die heutige Tochterfirma von Becton Dickinson (BD) hatte Kritikpunkte des BVerwG-Urteils aufgegriffen: Rezepte konnten elektronisch vor der Abgabe abgezeichnet werden. Zudem lief der Betrieb nur innerhalb der gesetzlich zugelassenen Öffnungszeiten. Im Januar 2013 wurde das Modellprojekt dennoch gestoppt, weil die Landesapothekerkammer keine Genehmigung für die Ausweitung der Testphase auf weitere Apotheken und außerhalb der Öffnungszeiten erteilte.
Rowa hat nach eigenen Angaben nichts mit dem Automaten von DocMorris zu tun. Visavia könnte trotzdem als Vorbild für die Ausgestaltung des Arzneimittelautomaten in Hüffenhardt erhalten. Aus Sicht der Versandapotheke haben sich seit 2013 die politischen Rahmenbedingungen geändert. Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) habe das E-Health-Gesetz durchgebracht und dränge Kassen wie Heilberufler zum raschen Einsatz elektronischer Datenübermittlung im Gesundheitswesen.
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